Sonntag, 18. Oktober 2009

37 Magenkarzinom

37 Magenkarzinom

J.R. Siewert, A. Sendler, F. Lordick

37.1 Grundlagen – 446

37.1.1 Chirurgische Epidemiologie – 446

37.1.2 Onkogenese – 447

37.1.3 Pathologie und Klassifikationen – 451

37.1.4 Prognosefaktoren – 454

37.2 Klinische Symptomatologie – 456

37.3 Notwendige Diagnostik und Staging – 456

37.3.1 Staging – 456

37.4 Operative Therapie – 459

37.4.1 Therapieziele – 459

37.4.2 Indikationsstellung – 460

37.4.3 Chirurgische Strategien – 460

37.5 Operationstechnik – 463

37.5.1 Lymphadenektomie – 463

37.5.2 Pankreaslinksresektion und Splenektomie – 466

37.5.3 Subtotale Gastrektomie – 466

37.5.4 Totale Gastrektomie – 468

37.5.5 Erweiterte Gastrektomie – 468

37.6 Morbidität und Mortalität – 469

37.6.1 Frühkomplikationen – 469

37.6.2 Spätkomplikationen – 470

37.7 Ergebnisse der Chirurgie – 471

37.8 Neoadjuvante Therapie bzw. adjuvante und palliative

Therapie prinzipien – 471

37.8.1 Postoperative adjuvante Therapieverfahren – 471

37.8.2 Adjuvante Chemotherapie – 472

37.8.3 Adjuvante Radio-/Chemo/Therapie – 472

37.8.4 Intraoperative Strahlentherapie – 472

37.8.5 Postoperative, intraperitoneale Therapie – 473

37.8.6 Präoperative neoadjuvante Chemotherapie – 473

37.8.7 Palliative Chemotherapie – 475

37.9 Empfehlungen zur Nachsorge – 475

37.10 Ausblick – 476

Literatur – 477

446 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

 

Die Zeiten, in denen die Diagnose »Magenkarzinom« gleichbedeutend

mit einer Operation war, sind vorbei. Heutzutage ermöglicht

die moderne Diagnostik eine genaue Erfassung der individuellen

Tumorsituation jedes Patienten. Dies ermöglicht eine

maßgeschneiderte Therapie. Nur dadurch ist es möglich, für Subgruppen

von Patienten die Prognose nachhaltig zu verbessern.

Der Chirurgie kommt unverändert eine Schlüsselrolle bei der

Therapie des Magenkarzinoms zu: Der Chirurg ist häufig der

erste Ansprechpartner nach Diagnosestellung. Nur durch genaue

Kenntnis der sich wandelnden Epidemiologie – die auch die Resektion

operativ anspruchsvoller macht –, der Onkogenese, der

operativen und therapeutischen Grundlagen kann eine sinnvolle,

stadienabhängige Indikation verantwortlich gestellt werden. Die

operative Bandbreite reicht von endoskopisch-laparoskopisch

kombinierten Eingriffen bis hin zu multiviszeralen Resektionen.

Bei den lokal fortgeschrittenen Stadien kommen zunehmend

multimodale Strategien zum Einsatz; gerade beim Einsatz neoadjuvanter

Therapien ist dazu die Vorstellung der Patienten in

einem Tumorboard erforderlich. Die moderne Onkologie verlangt

vom Chirurgen, neue Wege in der interdisziplinären Therapie

zu begehen. Das Magenkarzinom ist ein schon klassisches

Beispiel, wie durch fortgesetzte Innovation und interdisziplinäre

Therapie die Prognose der Patienten nachhaltig verbessert werden

kann.

37.1 Grundlagen

37.1.1 Chirurgische Epidemiologie

Trotz weltweit sinkender Prävalenz ist das Adenokarzinom

des Magens nach wie vor von hoher klinischer Bedeutung. In

Deutschland erkrankten im Jahre 2000 geschätzt 21.000 Personen

(11.000 Männer, 10.000 Frauen) an einem Magenkarzinom.

Es ist die fünfthäufigste Tumorerkrankung bei Frauen

und die sechshäufigste bei Männern und gehört mit zu den häufigsten

tumorbedingten Todesursachen. Das mittlere Erkrankungsalter

liegt für Männer bei 68, für Frauen bei 74 Jahren,

bei beiden Geschlechtern steigt die Inzidenz mit fortschreitendem

Alter (Robert-Koch-Institut 2004). Seit 1930 sinkt die Inzidenz

des Magenkarzinoms, zwischen 1980 und 1999 in der Europäischen

Union um 45%, seit den 90er-Jahren bestehen jedoch

in Deutschland eine gleich hohe Erkrankungshäufigkeit.

Der internationale Rückgang der Inzidenz ist nicht das Ergebnis

neuerer Therapien, sondern beruht wohl v. a. auf der besseren

Konservierung von Speisen und besserer Ernährung (Levi et al.

2004).

Die Inzidenz des Magenkarzinoms ist am höchsten in

Japan, Südamerika, Osteuropa und Teilen des Mittleren Ostens.

In den meisten Ländern erreicht die Mortalität die Inzidenz.

Die einzige Ausnahme hiervon bildet Japan, das trotz des endemischen

Auftretens der Erkrankung während der vergangenen

25 Jahre ein Sinken der Mortalitätsrate verzeichnen konnte.

Hauptgrund dafür ist die Durchführung von endoskopischen

Massenunter suchungen seit Mitte der 60er-Jahre, durch die

hohe Inzidenz ist dieses Screeningverfahren in Japan kosteneffektiv.

Die Analyse von Migrationsbewegungen von Gebieten mit

hoher zu Gebieten mit niedriger Inzidenz hat Umwelteinflüsse

für die Entstehung des Magenkarzinoms wahrscheinlich gemacht.

Bei japanischen Emigranten, die von Präfekturen mit höchstem

Risiko nach Hawaii umsiedelten, persistierte das Risiko. Dieses

hohe Risiko wurde ebenfalls in der zweiten Generation dieser

Emigranten beobachtet, wenn sie sich weiterhin traditionell japanisch

ernährten. Falls jedoch westliche Ernährungsgewohn heiten

angenommen wurden, sank die Inzidenz deutlich. Diese Studie

belegt, dass einerseits Umwelteinflüsse im frühen Leben essentiell

sind für die Erhöhung des Risikos, dass aber andererseits

auch kontinuierliche Umwelteinflüsse die Prädisposition erhöhen

(Boeing 1991; Correa 1985).

Gleichzeitig mit dem Rückgang des Magenkarzinoms hat

sich die Lokalisation der Tumoren geändert. War das Magenkarzinom

in früheren Jahren vor allen im distalen Magen zu finden,

findet es sich nun mehr und mehr im
proximalen Magen und am

gastroösophagealen Übergang (Siewert et al. 1995a; Siewert u.

Stein 1998). Diese Zunahme ist von klinischer Bedeutung, da

diese Tumoren meist in einem weiter fortgeschrittenen Stadium

diagnostiziert werden. Der Anteil der proximalen Magenkarzinome

und von Adenokarzinomen der Kardia stieg von 1984–

1993 von 29,1 auf 52,2% (Hohenberger u. Gretschel 2003). Diese

relative Steigerung ist größer als die relative Zunahme des Lungenkarzinoms

oder des Melanoms. Diese Tumoren müssen von

den Adenokarzinomen des distalen Ösophagus in Genese und

histologischem Subtyp unterschieden werden. Nur eine kleine

Gruppe von ihnen wird anscheinend durch die Refluxkrankheit

ausgelöst, eine Fundoplicatio stellt somit keinen Schutz dar (Ye et

al. 2001). Über die Gründe dieser Zunahme kann bis heute nur

spekuliert werden. Sie beruht u. U. auf einer besseren Konservierung

der Speisen und/oder dem Sinken der Inzidenz der Helicobacter-

pylori-Infektion. Studien belegen, dass die H.-pylori-

Kolonisation nur selten mit dem Adenokarzinom der Kardia

vergesellschaftet ist,
sie wird vermehrt beim Adenokarzinom des

distalen Magens gefunden (McColl 1997).

Ferner existiert eine Korrelation zwischen der Lokalisation

eines Tumors und der Klassifikation nach Laurén. Während

ungefähr 50% aller Antrum- oder Korpuskarzinome intestinale

Typen nach der Laurén-Klassifikation sind, repräsentiert dieser

Typ des Magenkarzinoms nur 36% der proximalen Magenkarzinome,

aber bis zu 68% der Kardiakarzinome und fast 80% der

Adenokarzinome des distalen Ösophagus. Diese deutliche Zunahme

der intestinalen Karzinome könnte bedeuten, dass v. a.

Umweltfaktoren für die Zunahme der proximalen Magenkarzinome

verantwortlich sind.

Die Therapie des Magenkarzinoms hat sich in den letzten

Jahren immer mehr differenziert und spezialisiert. Der alleinige

operative Ansatz ist nicht mehr in jedem Tumorstadium zu rechtfertigen.

Es ist heutzutage anzustreben, für jeden Patienten ein

individuelles therapeutisches Konzept zu entwerfen. In den kommenden

Jahren können Fortentwicklungen in der Therapie der

meist lokal fortgeschrittenen Tumoren nur durch interdisziplinäre

Kooperationen erreicht werden. In diesem Zusammenhang

spielt die Chirurgie eine entscheidende Rolle: als initialer Partner

des betroffenen Patienten und damit als »Koordinator« für die

verschiedenen therapeutischen Optionen.

Die wichtigsten Fortschritte sind in den letzten Jahren erzielt

worden auf den Gebieten des prätherapeutischen Stagings, der

Identifikation von relevanten prognostischen Faktoren und neuer

multimodaler Techniken. Dadurch wird es möglich, die Therapie

für den Patienten individuell »zuzuschneidern« (»tailored therapy

«). Es ist zu hoffen, dass die Kombination von neoadjuvanten,

37.1 · Grundlagen 447 37

adjuvanten oder auch additiven Therapiemodalitäten zu einer

besseren Prognose führt (verglichen mit dem traditionellen, rein

operativen Zugang). Das genaue Wissen um die verschiedenen

Optionen, ihre Ergebnisse, Vorteile, Nachteile und Komplikationen

sowie die Ergebnisse neuerer Studien über neoadjuvante und

adjuvante Verfahren sind somit bei der Behandlung des Magenkarzinoms

von besonderer Bedeutung.

37.1.2 Onkogenese

Verschiedene Veränderungen der Magenmukosa sind mit einem

erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms

des Magens vergesellschaftet ( s. unten). Dazu gehören die chronisch

atrophische Gastritis, die intestinale Metaplasie, die Dysplasie

und Magenpolypen.

Risikofaktoren für die Entwicklung eines Magenkarzinoms

 Ernährung:

– geringe Fett- oder Proteinaufnahme,

– gepökeltes und geräuchertes Fleisch,

– hoher Nitratverbrauch,

– Mangel an Vitamin A und C;

Umweltfaktoren:

– Mangel an Kühlmöglichkeiten,

– schlechte Wasserqualität,

– Beruf (Minen- und Gummiarbeiter),

– Rauchen;

Präkanzerosen:

– Magenadenome,

– chronische atrophische Gastritis und intestinale

Meta plasie,

– perniziöse Anämie,

– vorausgegangene Magenchirurgie wegen benigner

Erkrankungen (BI, BII),

– hereditäres nichtpolypöses kolorektales Karzinom

(HNPPC), familiäre Polyposis, Gardner-Syndrom,

– Peutz-Jegher-Syndrom,

– M. Ménétrier,

– positive Familienanamnese.

Zum besseren Verständnis der Ätiologie und Epidemiologie des

Magenkarzinoms ist die Kenntnis der Klassifikation nach Laurén

wichtig: 1965 beschrieb Laurén zwei verschiedene histologische

Typen des Magenkarzinoms, den intestinalen und den diffusen

(Laurén 1965).

Der intestinale Typ des Magenkarzinoms entsteht v. a. aus

präkanzerösen Arealen wie aus der Magenatrophie oder der intestinalen

Metaplasie. Er ist öfter bei Männern und in der älteren

Generation anzutreffen. Der intestinale Typ repräsentiert den

vorherrschenden histologischen Typ in endemischen Gebieten.

Der diffuse Typ entsteht typischerweise nicht auf dem Boden

von präkanzerösen Läsionen, er tritt etwas häufiger bei Frauen

und bei jungen Patienten auf und hat eine höhere Assoziation mit

dem familiären Auftreten. Dieses legt eine genetischen Prädisposition

nahe.

Atrophische Gastritis und perniziöse Anämie

Die atrophische Gastritis wird in zwei Hauptgruppen eingeordnet:

▬ der autoimmune Typ A, welcher mit der Perniziosa assoziiert

ist, und

▬ der Typ B, welcher durch Umwelteinflüsse bedingt ist.

Die Veränderungen der Typ-A-Gastritis spielen sich im Fundus

und Magenkorpus ab und werden auch bei Patienten gefunden,

die an einer okkulten Perniziosa leiden. Die Karzinome, die sich

in Verbindung mit dem Typ A entwickeln, werden ebenfalls im

Korpus und Fundus angetroffen (Correa 1988).

Die Gastritis Typ B, die am häufigsten in Gebieten mit hoher

Inzidenz des Magenkarzinoms diagnostiziert wird, ist eine multifokale

Erkrankung. Sie beginnt meistens an der Incisura und befällt

Antrum und Korpus.
Bei beiden Typen der Gastritis regeneriert

sich das Epithel, die Mukosa aber unterliegt einer fortlaufenden

Atrophie und wird teilweise durch intestinalartiges Epithel

ersetzt; dieses kann über den Weg der Dysplasie zur Malignität

entarten. Das Risiko der Entwicklung eines Magenkarzinoms bei

Vorhandensein einer chronischen Gastritis liegt bei 10% über

10 Jahre (Albert 1995).

Verschiedene Langzeitanalysen bei Patienten mit perniziöser

Anämie haben eine 1- bis 10%ige Inzidenz des Magenkarzinoms

bei dieser Erkrankung gezeigt (Fuchs u. Mayer 1995; Ye u. Nyren

2003). Das Risiko der Karzinomentstehung ist direkt proportional

zur Schwere der Gastritis und betrifft praktisch nur die Form

des intestinalen Karzinoms. Die diskutierten Mechanismen sind

einerseits bakterielle Überwachsungen im achlorhydrischen Magen,

interne pH-Verschiebungen (Hypergastrinämie als Folge der

Atrophie) und das neoplastische Potenzial proliferierender Zellen

in der Nähe einer chronischen Entzündung (gesteigerte DNASyntheserate).

Das Risiko der Malignomentstehung bei Patienten

mit Perniziosa ist ungefähr 4- bis 6fach höher als das der Normalpopulation.

Das Risiko ist am höchsten in jüngeren Altersgruppen,

in der Altersgruppe über 70 Jahre gleicht es dem Risiko der

Allgemeinbevölkerung.

Diese Patienten haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko der

Entwicklung von neuroendokrinen Tumoren des Magens. Diese

könnten sekundär bei verlängerter Säuresuppression, Hypergastrinämie

und darauf folgender neuroendokriner Hyperplasie

entstehen (Antonioli 1990). Nach diesen Befunden ist die Frage

aufgeworfen worden, ob die endokrine Achlorhydrie des Magens,

induziert durch Histaminrezeptor-Antagonisten (H2-Blocker)

und Protonenpumpen-Inihibitoren ebenfalls zu einem erhöhten

Risiko führt. Bis heute hat jedoch keine Studie ein erhöhtes

Tumorrisiko, auch nach Langzeiteinnahme, beweisen können

(Elder 1995).

Intestinale Metaplasie und Dysplasie

Abhängig von der Morphologie und der Muzinhistochemie wird

die intestinale Metaplasie histopathologisch in drei Gruppen eingeteilt:

Typ 1 zeigt reife absorptive Zellen und neutrale Muzine,

▬ Typ 2 keine reifen absorptiven Zellen, jedoch Muzine und

neutrale Muzine,

▬ bei Typ 3 ist die Morphologie ähnlich der beim Typ 2, die

Muzine sind jedoch sulphiert.

Ausgehend von retrospektiven Daten scheint die Typ-3-Metaplasie

das höchste Risiko für eine malignen Transformation zu

beinhalten. Das relative Risiko der Karzinomentstehung innerhalb

der drei Gruppen der intestinalen Metaplasie ist noch nicht

evaluiert.

Die Rolle der Magendysplasie in der Entwicklung des Magenkarzinoms

ist bis heute ungeklärt. In einer Studie mit 247 Magenkarzinomen,

die durch mehrere unabhängige Pathologen untersucht

wurden, wurde in 26 Fällen die Diagnose »Dysplasie« gestellt.

Es gab jedoch nur in drei Fällen eine Übereinstimmung

aller drei beurteilenden Pathologen. Die Ergebnisse einer prospektiven

Studie haben gezeigt, dass in einer Gruppe, die nach

unabhängiger Expertenmeinung eine high-grade intrepitheliale

Neoplasie zeigte, ein Magenkarzinom nach Resektion zu 80%

identifiziert wurde. In der Gruppe der low-grade intraepithelialen

Neoplasie wurde das Magenkarzinom in 20% der Fälle gefunden

(Schlemper et al. 1997).

Magenpolypen

Die Magenpolypen sind in zwei Hauptgruppen eingeteilt:

▬ hyperplastische, hyperregenerative Polypen und

▬ Adenome.

Hyperplastisch sind 75–90% der Magenpolypen, sie entstehen

nach exzessiver Regeneration des foveolaren Epithels mit keiner

klaren Grenze zwischen Polyp und normaler Magenmukosa.

Eine maligne Transformation ist äußerst selten (Goldstein u.

Lewin 1997), trotzdem wurde ein unabhängiges Magenkarzinom

in 6–25% der Fälle gesichert (Dijkhuizen et al. 1997).

Acht bis 25% der Magenpolypen sind Adenome. Sie haben

einen klar abgrenzbaren Rand zu der umgebenen Mukosa und

sind oft assoziiert mit einer intestinalen Metaplasie und verstärkten

Mitoseraten (Stolte 1995). Sie zeigen oft ein kontinuierliches

Wachstum. Das Auftreten kann flach, papillär oder villös sein.

Maligne Transformationen kommen in 6–75% der Fälle vor,

seltener bei kleinen, flachen Adenomen, weitaus häufiger bei

Adenomen >2 cm Durchmesser (Takenawa et al. 2004).

Magenstumpfkarzinom

Im Jahr 1922 wurde von dem Chirurgen Balfour die Beobachtung

gemacht, dass es einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung

eines Magenkarzinoms und einer vorangegangenen distalen

Gastrektomie wegen einer benignen Erkrankungen gibt (Balfour

1922). Definitionsgemäß entsteht ein sog. Magenstumpfkarzinom

im zurückbelassenen Magen nicht früher als 5 Jahre nach der partiellen

Gastrektomie. In einer Studie wurde über die Nachbeobachtung

von 4466 Patienten berichtet, die 20 Jahre zuvor wegen

Ulcera ventriculi bzw. duodeni distal reseziert wurden (Caygill et

al. 1986). Es ergab sich ein 3,7fach erhöhtes Risiko nach Magenresektion

und ein 8% erhöhtes Risiko nach gleichzeitiger Vagotomie.

Das Risiko ist höher nach Billroth-II- als nach Billroth-I-Operation

(8,6- vs. 4fach erhöht). Das erhöhte Risiko scheint das Ergebnis

einer sich schnell ausbreitenden intestinalen Metaplasie von

der gastrointestinalen Anastomose in den Magen stumpf zu sein.

Nach Restgastrektomie und adäquater Lymphadenektomie (regionale

Lymphknoten im Mesenterium der zuführenden Schlinge!)

ist die Prognose dieser Patienten denen mit primärer Magenresektion

identisch (Thorban et al. 2000).

M. Ménétrier

Der M. Ménétrier ist eine seltene Krankheit, bei welcher Magenfaltenhypertrophie,

Hyperchlorhydrie und ein Proteinverlust mit

einer Hyperplasie der oberflächlichen Becherzellen des Magens

assoziiert sind (Albert 1995). Ein Magenkarzinom wurde in 15%

der bis heute ca. 200 beschriebenen Fälle gefunden (Elder 1995).

Dieses legt nahe, dass der M. Ménétrier eine Präkanzerose ist,

jedoch sind die Studien schwer zu interpretieren, da sie retrospektiv

sind und viele Einzelfälle darstellen. Es gibt jedoch verschiedene

sehr gut dokumentierte Fälle von Dysplasie, Adenom

und Karzinomentwicklung bei Patienten mit M. Ménétrier innerhalb

von 13 Jahren.

Cave

Bei Vorliegen eines M. Ménétrier ist die jährliche endoskopische

Kontrolle empfohlen.

Helicobacter pylori

Durch mehrere epidemiologische Studien ist eine Beziehung

zwischen der Besiedlung des Magens mit H. pylori und der Entwicklung

eines Magenkarzinoms demonstriert worden. Eine Studie

mit mehr als 3000 Patienten aus 13 Ländern zeigte ein 6fach

erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms in

Populationen mit einer hohen Infektionsrate (Goldstone et al.

1996). Dieses wurde durch eine Metaanalyse (19 Studien, 2491

Patienten, 3949 Kontrollen) bestätigt. Die Heterogenität der

zuvor publizierten Ergebnisse wird erklärt durch Unterschiede

in der Auswahl der Kontrollgruppen, im Patientenalter sowie

in Tumorlokalisation und -stadium. Nach dieser Studie ist die

H.-pylori-Infektion eine Risikofaktor für das Magenkarzinom

(Huang et al. 1998). Die Inzidenz der H.-pylori-Infektion bei den

Kontrollgruppen der zitierten Studien lag zwischen 61 und 76%.

Damit entwickelt die Majorität kein Karzinom nach Infektion.

Wichtig für die Karzinomentstehung sind wohl zwei Mechanismen:

ein Interleukin-1-Polymorphismus beim Wirt und die

Infektion mit unterschiedlichen Stämmen des H. pylori (El Omar

et al. 2001; Hocker u. Hohenberger 2003). Die Rolle des Bakteriums

bei der Karzinogenese könnte in einer Erhöhung der Proliferationsrate

des Magenepithels liegen. Andere Gründe sind in

der Abnahme der Sekretion von Ascorbinsäure, einem bekannten

chemoprotektiven Agens, oder der Induzierung einer lang

andauernden inflammatorischen Immunantwort zu sehen. Inflammatorische

Zellen werden oft in direkter Nachbarschaft zu

proliferierenden Zellen gefunden und exprimieren mutierte p53-

Produkte (Falk 1996). Bis heute ist die Rolle der Helicobacter spp.

in der Karzinogenese unklar. Eine Eradikationstherapie für alle

H.-pylori-Träger wird als nicht kosteneffektiv betrachtet und derzeit

nicht empfohlen.

Nach Resektionen beim Magenkarzinom fand sich eine Besiedlung

mit H. pylori beim intestinalen Typ nach Laurén in 90%

des Normalgewebes verglichen mit nur 32% beim diffusem Karzinomtyp.

Verschiedene Studien haben ferner eine signifikante

Beziehung der H.-pylori-Infektion und der Entwicklung des distalen

Magenkarzinoms aufgezeigt. Das Risiko der Karzinomentstehung

korreliert mit steigenden H.-pylori-IgG-Antikörpern

und ist höher, wenn zwischen Diagnose der Infektion und der

des Karzinoms mehr als 10 Jahre liegen (Suerbaum u. Michetti

2002).

Populationsstudien deuten darauf hin, dass eine in der Kindheit

akquirierte H.-pylori-Infektion zu einer chronischen Gastritis

führt. Diese persistiert für Jahrzehnte und führt in einigen

Fällen weiter zur atrophischen Gastritis, zu intestinalen Metaplasie

und/oder Dysplasie. In unterentwickelten Ländern sind bis zu

50% der Kinder im Alter von 10 Jahren bereits mit H. pylori infi37.1

· Grundlagen 449 37

ziert. Daran gemessen ist die Karzinomentstehung relativ gering,

was u. a. auch auf die geringere Lebenserwartung in der Ländern

der Dritten Welt zurückgeführt wird. In entwickelten Ländern

sind die Infektionsraten der Adoleszenten weit geringer, jedoch

sind
bis zu 50% der Erwachsenen im Alter von 60 Jahren infiziert

(Moayyedi u. Dixon 1997; Nightingale u. Gruber 1994).

Angehörigen von Patienten, die an einem Magenkarzinom

erkrankt waren, haben ebenfalls ein höheres Risiko für die Entwicklung

von gastralen Präkanzerosen. Das erhöhte Risiko ist

jedoch auf eine Gruppe beschränkt, die wie die Eltern H.-pyloripositiv

sind. Die familiäre Prädisposition zum Magenkarzinomen

wird damit teilweise auf eine familiäre Häufung der H.-pylori-

Infektion zurückgeführt. Daraus ergibt sich die Empfehlung,

Angehörige bei H.-pylori-Infektion ebenfalls einer Eradikationstherapie

zu unterziehen (El Omar et al. 2000).

Genetische Prädisposition

Eine genetische Prädisposition wird für 4–8% aller Magenkarzinome

angenommen. Bisher ist nur die Mutation des E-Cadherin-

Gens (cdh-1) als prädisponierender Faktor für die Ausbildung des

diffusen Magenkarzinoms identifiziert worden. Dabei sind 18

verschiedene Keimbahnmutationen des cdh-1-Gens beschrieben

(Park et al. 2000). Die Keimbahnmutation des cdh-1-Gens definiert

ein autosomal-dominantes Karzinomsyndrom, das als

»hereditäres diffuses Magenkarzinom« bezeichnet wird. Typisch

für dieses Syndrom ist ein junges Manifestationsalter. Das »International

Gastric Cancer Linkage Consortium« verfügt z. Z. über

eine Dokumentation von 9 Familien mit 70 Magenkarzinomerkrankungen

im Alter zwischen 14 und 69 Jahren (mittleres Manifestationsalter

37,9 Jahre). Erste Schätzungen zeigen eine Penetranz

von 70–80% über 80 Lebensjahre (Guilford et al. 1999;

Keller et al. 1999).

Cave

Identifizierte Mutationsträger (cdh-1) sollten halbjährlich

endoskopisch untersucht werden, eine eventuelle H.-pylori-

Infektion muss eradiziert werden.

Falls ein Karzinom gesichert wird, ist die totale Gastrektomie indiziert.

Die Indikation zur prophylaktischen Gastrektomie wird

derzeit noch kontrovers diskutiert. Für die intestinale Form des

Magenkarzinoms sind entsprechende prädisponierenden Keimbahnmutationen

bisher nicht identifiziert worden.

Das HNPCC-Syndrom prädisponiert nicht nur zum Kolonkarzinom,

vereinzelt auch zum Magenkarzinom. Das mittlere

Manifestationsalter beträgt ca. 55 Jahre beim Magenkarzinom,

das Kolonkarzinom tritt im Mittel ca. 10 Jahre früher auf. Histologisch

handelt es sich meistens um Magenkarzinome vom intestinalen

Typ. Wie die Kolonkarzinome zeigen auch die Magenkarzinome

eine Mikrosatelliteninstabilität auf der Grundlage

einer Keimbahnmutation in den DNA-Reparaturgenen mlh1

oder msh2 (Ponz de Leon 1994).

Selten finden sich Magenkarzinomerkrankungen in Familien

mit FAP, Peutz-Jeghers- und Li-Fraumeni-Syndrom, für die jeweils

Keimbahnmutationen im apc-, stk11- und p53-Gen beschrieben

sind (Caldas et al. 1999).

Ein historisches Beispiel für eine genetische Prädisposition

zum Magenkarzinom ist die Familie von Napoleon Bonaparte:

Napoleon, sein Vater, sein Großvater und mehrere Geschwister

starben an Magenkrebs.

Molekularbiologische Veränderungen

beim Magenkarzinom

Maligne Tumoren entstehen schrittweise durch Akkumulation

verschiedener genetischer Veränderungen. Diese betreffen gezielt

Gene, die Schlüsselrollen in wichtigen Prozessen wie Zellzyklus

und -differenzierung besetzten. Deren verändertes Zusammenspiel

erklärt den malignen Charakter einer Tumorzelle.

Einen weiteren Mechanismus der malignen Entartung stellt die

genomische Instabilität dar, die durch Mutationen in Reparaturgenen

verursacht wird. Nachweisbare Zeichen solcher Defekte

sind Längenalterationen in kurzen, sich wiederholenden Sequenzen,

den sog. Mikrosatelliten.

Insbesondere die zeitliche Abfolge der einzelnen zu Karzinomen

führenden Aberrationen ist weitgehend unklar, und obwohl

bereits viele der das Magenkarzinom betreffende Onkogene und

Tumorsuppressor-Gene charakterisiert worden sind ( Tabelle

37.1), haben diese Erkenntnisse bis heute nicht zu einer Änderung

der Behandlung oder zur Entwicklung neuer Therapiestrategien

geführt. Es zeichnet sich jedoch ab, das die Entwicklung

von diffusen und intestinalen Magenkarzinomen über unterschiedliche

Wege erfolgt (Höfler u. Becker 2003). Abb. 37.1

zeigt den immer noch aktuellen Vorschlag der Gruppe von Tahara

et al. (1995) zur molekularen Pathogenese beider Tumortypen.

Proto-Onkogene

Das met-Gen ist beim fortgeschrittenen Magenkarzinom – v. a.

beim szirrhösen Typ – häufig amplifiziert. LOH (»loss of heterozygosity

«) des met-Gens, lokalisiert auf dem Chromosom 7q31,

findet sich bei 30% der intestinalen Karzinome unabhängig von

einer eventuellen met-Amplifikation. Gleichzeitig ist das k-sam-

Gen, ein Mitglied der Familie der Fibroblasten-Wachtstumsfaktor-

Rezeptoren, v. a. bei diffusen Magenkarzinomen amplifiziert

(Tahara et al. 1996).

Im Gegensatz dazu findet sich eine Amplifikation und Überexpression

von erbb2 v. a. beim intestinalen Adenokarzinom. Die

prognostische Relevanz einer Aktivierung des erbb2-Onkogen

beim Magenkarzinom wurde in einer Reihe von größeren Studien

untersucht. Danach scheint der Expressionsstatus zwar teilweise

mit etablierten histopathologischen Tumorparametern zu

korrelieren, insgesamt kann das erbb2-Onkogen jedoch als unabhängiger

prognostischer Faktor angesehen werden (Kopp et al.

2003).

Wachstumsfaktoren und Zytokine

Magenkarzinome exprimieren ein breites Spektrum von Wachstumsfaktoren

und Zytokinen, die als autokrine oder parakrine

Modulatoren agieren. Durch sie wird die komplexe Interaktion

zwischen Tumor- und Gewebezelle gesteuert. TGF-α, EGF und

Interleukin(IL)-1a funktionieren als autokrine Wachstumsfaktoren.

Die Faktoren werden v. a. beim intestinalen Typ überexprimiert

(Ito et al. 1993).

PDGF (»platelet derived growth factor«) und TGF-α werden

v. a. beim diffusen Karzinom überexprimiert: 80% der Magenkarzinome

zeigen eine Verminderung des TGF-α-Typ-I-Rezeptor

und eine Verminderung des TGF-α-Bindungsproteins. Es

findet sich eine Korrelation mit dem Tumorstadium, was bedeuten

könnte, dass sich fortgeschrittene Karzinome durch diesen

Mechanismus einer Wachstumskontrolle entziehen (Xiangming

et al. 2001).

450 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Tumorsuppressor-Gene und Zelladhäsionsmoleküle

Beim Magenkarzinom findet sich häufig eine Inaktivierung von

verschiedenen Tumorsuppressor-Genen wie p53, apc und dcc

(Nakatsuru et al. 1992). Allelverlust und Mutationen des apc-

Gens sind v. a. mit dem intestinalen Adenokarzinom assoziiert.

Beim intestinalen Karzinom findet sich zusätzlich ein LOH des

dcc-Gens und des bcl2-Gens (Tahara 1995). Dieses ist vergleichbar

mit der Kanzerogenese des kolorektalen Karzinoms und findet

sich nicht bei diffusen Karzinomen.

Die umfassendsten Daten liegen für das Tumorsuppressor-

Gen p53 vor. Allelverlust und Mutationen von p53 finden sich

in mehr als 60% sowohl der diffusen als auch der intestinalen

Magenkarzinome. Diese Mutation wird gleichzeitig in 30%

der Magenadenome und in 10% der Fälle von intestinaler Metaplasie

beschrieben. Die Veränderung von p53 scheinen relativ

spät in der Karzinomentstehung aufzutauchen, in hochgradigen

Dysplasien der Magenschleimhaut sind sie kaum nachweisbar.

Sowohl der intestinale als auch der diffuse Karzinomtyp

ist betroffen, wobei zumindest immunhistochemisch eine

p53-Akkumulation im intestinalen Typ häufiger beobachtet

wird. Die p53-Expres sion scheint mit zunehmender Wandinfiltration

zuzunehmen. Über die Korrelation von p53-Mutationen

und Prognose gibt es keine schlüssigen Daten, die Studien

widersprechen sich diametral (Fenoglio-Preiser et al.

2003).

Ein weiteres nur bei diffusen Karzinomen verändertes Genprodukt

ist E-Cadherin, das für ein kalziumabhängiges Zelladhäsionsmolekül

kodiert. Es vermittelt homophile Zell-zu-Zell-

Kontakte im Epithel. Eine verminderte Expression von E-Cadherin

führt in der Regel zur Lösung von Verbindungsstrukturen

zwischen Karzinomzellen. Daraus resultiert eine Zunahme des

metastastischen Potenzials und der Invasivität der Tumoren

(Handschuh et al. 1999). Bei intestinalen Tumoren wurde bisher

keine E-Cadherin-Mutation beschrieben.

Sowohl bei intestinalen als auch bei diffusen Magenkarzinomen

wird das nm23-Gen, ein Metastasensuppressor-Gen, in fortgeschrittenen

Stadien der Erkrankung vermindert exprimiert. Im

Gegensatz zu Mamma- und Kolonkarzinomen ist die nm23-Expression

beim Magenkarzinom nicht von prognostischem Wert,

sie ist jedoch generell mit dem Auftreten von Lymphknotenmetastasen

vermindert und zeigt ein aggressives Tumorwachstum

an (Müller et al. 1998).

Genetische Instabilität

Die genetische Instabilität ist ein weiterer wichtiger Weg der

Onkogenese (Keller et al. 1996). Gene wie mlh1 und msh2, die bei

der DNA-Reparatur von Fehlpaarungen (»mismatch repair«)

eine Rolle spielen, sind z. B. verantwortlich für die hereditären

nichtpolypösen kolorektalen Karzinome (HNPCC). Replikationsfehler

an Mikrosatelliten (Mikrosatelliteninstabilität) wurden

bei 64% der Magenkarzinome des diffusen und bei 17% des

intestinalen Typs gefunden (Chung et al. 1996). Diese Befunde

deuten darauf hin, dass die genetische Instabilität eine entscheidende

Rolle in der Entwicklung des Magenkarzinoms vom diffusen

Typ spielen könnte, das ja gehäuft in der nichtmetaplastischen

Magenschleimhaut und bei jüngeren Patienten auftritt (Hayden

et al. 1996; Semba et al. 1996).

Metastasierung

CD44 und seine Splice-Varianten sind für die Zell-Zell- und Zell-

Matrix-Interaktion von Bedeutung. Nahezu alle Magenkarzinome

wie auch die Metastasen zeigen eine Überexpression von

Tabelle 37.1. Übersicht über die Abfolge der Tumorinvasion und Metastasierung, Korrelation zu den biologischen Vorgängen.

(Zit. nach Allgayer et al. 1997)

Metastatischer Status Potenziell relevante Parameter

Primärtumor Stroma Induktion/Angiogenese: Proteaseinhibitoren (PAI, TIMP)

Wachstum und Proliferation: Tyrosinkinasefaktoren und ihre Rezeptoren (c-erbb2, c-met), Wachstums

faktoren und ihre Rezeptoren (EGF-Rezeptor, cripto), Signalübertragung (c-ras), Zellzyklusregulatoren

(pic1, G1- und G2-Zykline, CDKs, mts1), Tumorsuppressormutationen (p53, nm23), Apoptoseblock

(bcl-2), genetische Instabilität

Segregation vom Primärtumor Verlust der Adhäsionsmoleküle, tumorassoziierte Proteasen/Inhibitoren

Invasion des umgebenden Gewebes Tumorassozierte Proteasen (uPA-System, MMP, Kathepsine)

Invasion der Blutgefäße Tumorassozierte Proteasen (uPA-System, MMP-2 und 9)

Systemische Dissemination Disseminierte Tumorzellen (CK18-positiv)

Adhäsion und Extravasation Adhäsionsmoleküle, tumorassozierte Proteasen

Metastase Interaktion mit dem Mikroenviroment: tumorassozierte Proteasen und Inhibitoren, Adhäsionsmoleküle,

Verlust der MHC, Stromainduktion/Angiogenese: Proteaseinhibitoren (PAI, TIMP). Wachstum

und Proliferation: Tyrosinkinasefaktoren und ihre Rezeptoren (c-erbb2, c-met), Wachstumsfaktoren

und ihre Rezeptoren (EGF-Rezeptor, cripto), Signalübertragung (c-ras), Zellzyklusregulatoren

(pic1, G1- und G2-Zykline, CDKs, mts1), Tumorsuppressormutationen (p53, nm23), Apoptoseblock

(bcl-2), genetische Instabilität

PAI Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, TIMP »tissue inhibitor of metalloproteinases«, EGF »epidermal growth factor«, CDK »cyclin-dependent

kinase«, UPA »urokinase-type plasminogen activator«, MMP »matrix metalloproteinase«, CK Zytokeratin.

37.1 · Grundlagen 451 37

CD44-Splice-Varianten. Allerdings zeigen intestinale und diffuse

Karzinome eine Überexpression von unterschiedlichen Varianten.

Dies deutet wiederum darauf hin, das die verschiedenen »Arten

« des Magenkarzinoms eine unterschiedliche genetische Pathogenese

aufweisen. Eine verstärkte CD44-Expression korreliert

mit vermehrter Fernmetastasierung z. Z. der Diagnose und mit

einer hohen Rezidivrate (Mayer et al. 1993).

Invasivität und Metastasierung werden ebenfalls stark durch

Proteasen beeinflusst. Die Zerstörung von Basalmembranen in

Gefäßwänden ist notwendig für die lymphogene und hämatogene

Metastasierung. Eines dieser Enzymsysteme ist der Urokinase-

ähnliche Plasminogen-Aktivator (uPA) zusammen mit dem

spezifischen Rezeptor (uPA-R) und Inhibitor (PAI).

Die Überexpression von uPA ist beim Magenkarzinom ein

unabhängiger Prognoseparameter (Heiss et al. 1995; Nekarda

et al. 1998).

37.1.3 Pathologie und Klassifikationen

Der am häufigsten auftretende histologische Typ des Magenkarzinoms

ist das Adenokarzinom. Beim Adenokarzinom des Magens

muss zwischen dem Magenfrühkarzinom (»early gastric

cancer«, EGC) und dem fortgeschrittenen Magenkarzinom unterschieden

werden.

Makroskopische Klassifikation des Magenfrühkarzinoms

Karzinome werden als Magenfrühkarzinom definiert, wenn

die Invasion nur auf die Mukosa oder Submukosa beschränkt

ist, unabhängig von der Lymphknotenmetastasierung.

Abweichend von der Borrmann-Klassifikation (Borrmann

1928), welche sich auf die verschiedenen Formen der Invasion

bezieht und die beim fortgeschrittenen Magenkarzinom benutzt

wird, beziehen sich die Klassifikationsregeln beim Magenfrühkar

zi nom auf das Wachstum des Karzinoms auf der Mukosa.

Das Magen frühkarzinom wird in drei Haupttypen unterteilt

( Abb. 37.2):

Genetische Instabilität

Diffuser Typ

n. Laurén

Intestinaler Typ

n. Laurén

Normale Zelle

Frühkarzinom

Metastasierung

Fortgeschrittenes

Karzinom

Adenom

Intestinale

Metaplasie

P53 Mutation

und Allelverlust

c-met 6.0 kb Expression

Cadherin-Verlust

1p LOH

TGF-β Überexpression

Veränderung am TGF-β-Rezeptor

CD44: veränderte Transkripte

7q LOH

Amplifikation von

K-sam und c-met

Reduzierung von nm23

Genetische Instabilität

APC LOH, p53 LOH

c-met 6.0 kb Expression

bcl -2 Gen- Verlust

18q (DCC) Verlust

1q LOH

Veränderung am

TGF-β-Rezeptor

CD44: veränderte

Transkripte

7q LOH

c- erbB-2 Amplifikation

Reduzierung von nm23

cripto -Überexpression

2.2 kb-Gen-Deletion

P53 Mutation

K-ras -Mutation

APC-Mutation

Abb. 37.1.

Vorschlag der Gruppe

von Tahara zur unter -

schied lichen Onkogenese

des intestinalen

vs. diffusen Magenkarzinoms

(Laurén)

452 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Typ 1 Hervortretende Läsion: große noduläre oder polypoide

Läsion, die oft eine irreguläre Oberfläche aufzeigt

Typ 2 Oberflächliche Karzinome

Typ 2a Oberflächliche und gering erhabenen Läsion:

Hauptkennzeichen dieser Gruppe ist eine

geringe Erhabenheit von ungefähr 5 mm

Typ 2b Oberflächliche und flache Läsion: Diese

Läsionen liegen ungefähr in der gleichen

Ebene mit der umgebenden Mukosa

Typ 2c Oberflächliche und gering eingezogene

Läsion: Die Einziehung ist erosiv oder

ulkusähnlich. Es findet sich generell eine

abgeflachte Mukosaschicht an der Basis

Typ 3 Exkavation: tief erosive Ulzeration von unterschiedlicher

Tiefe

Makroskopische Klassifikation

des fortgeschrittenen Magenkarzinoms

Das lokal fortgeschrittenen Magenkarzinom wird makroskopisch

nach Borrmann in 4 Hauptgruppen eingeteilt ( Abb. 37.3). In

einer Übersicht von Inokuchi et al. wurden für diese Gruppen

unterschiedliche 5-Jahres-Überlebensraten von jeweils 45, 45, 20

und 6% für die Typen I–IV beschrieben (Inokuchi et al. 1983).

Histologische Klassifikation

Eine histologische Diagnose muss, wenn immer möglich, vor jeder

Therapie stehen, beim Magenkarzinom sind häufig mehrere

Biopsien (8–10) erforderlich.

Die histologische Klassifikation des Magenkarzinoms folgt

den Empfehlungen der WHO (World Health Organization Classification

of Tumours 2000), die für jede Diagnose die konventionelle

histologische Klassifikation ( s. unten) und die Angabe

der Laurén-Klassifikation fordert (intestinal vs. nichtintestinal).

Die meisten Karzinome des Magens sind Adenokarzinome, die

von drüsigem Epithel aufgebaut sind und tubuläre, azinäre oder

papillären Strukturen enthalten. Die Tumoren können an intestinales

Epithel oder an Magenepithel erinnern.

Histologische Klassifikation des Magenkarzinoms

 Tubuläres Adenokarzinom,

 papilläres Adenokarzinom,

 muzinöses Adenokarzinom,

 Siegelringzellkarzinom,

 adenosquamöses Karzinom,

 Plattenepithelkarzinom,

 kleinzelliges Karzinom und

 undifferenziertes Karzinom.

Grading. Es gibt 4 verschiedene Differenzierungsgrade. Adenokarzinome

werden als G1 bis G3 differenziert. Kleinzellige und

undifferenzierte Karzinome werden als G4 bezeichnet. Siegelringzellkarzinome

werden generell als G3 graduiert. G1- und

G2-Tumoren werden zusammengefasst als Low-grade-Tumoren,

G3- und G4- als High-grade-Tumoren. Die Graduierung

ist in hohem Maße abhängig vor der Erfahrung des untersuchenden

Pathologen. Basis der Graduierung sind die verschiedenen

histologischen und zytologischen Parameter einschließlich

Ähnlichkeit mit dem Umgebungsgewebe, Zellularität, Diffe renzierung

von Kern- und Zellpleomorphismus, mitotischer Akti-

Typ I

Typ II

Typ III

IIa

IIb

IIc

(15 %)

(14 %)

(25 %)

(22 %)

(24 %)

Abb. 37.2. Endoskopische Klassifikation des Magenfrühkarzinoms.

Typ I: vorgewölbte Form, Typ II: oberflächliche Form, IIa erhaben,

IIb eben, IIc eingesenkt, Typ III: exkavierte Form

infiltrativer Typ

Typ I

Lokalisierter Typ

Typ II

Typ III

Typ IV

Abb. 37.3. Klassifikation der makroskopischen Form des Magenkarzinoms

nach Borrmann

37.1 · Grundlagen 453 37

vität und Nekrose. Das konventionelle histologische Typing hat

– mit der Ausnahme der seltenen Kleinzellkarzinome (schlechte

Prognose) und den noch selteneren medullären Karzinome (gute

Prognose) – in großen multivariaten Studien keinen Einfluss auf

die Prognose aufgezeigt (Hermanek et al. 1995).

Laurén-Klassifikation. Die Laurén-Klassifikation wird in Europa

seit ca. 20 Jahren benutzt, in der letzten Zeit auch vermehrt in

Japan (Laurén 1965). Es werden mit ihr zwei Entitäten beschrieben,

das intestinale und das diffuse Karzinom. Der intestinale

Typ besteht v. a. aus an Drüsen erinnernde Zellen, welche von

intestinalen Zylinderzellen umgeben werden. Diese Tumoren

sind deutlich demarkiert und kompakt arrangiert.

Im Gegensatz dazu sind die Tumoren des diffusen Typs oft

aus nicht zusammenhängenden Zellen aufgebaut, oftmals Siegelringzellen,

welche die Magenwand exzessiv infiltrieren. Diese

Tumoren sind histologisch schlecht demarkiert mit weit verstreuten

Tumorzellen (Desmoplasie). Die Magenfalten sind generell

abgeflacht oder sogar total obliteriert. Aufgrund dieses histologischen

Bildes werden die szirrhösen Magenkarzinome auch als

Linitis plastica bezeichnet.

Tabelle 37.2. TNM/R-Staging des Magenkarzinoms

(UICC 2000)

T – Primärtumor

T1a Limitiert auf die Mukosa (Invasion der Lamina propria)

T1b Invasion der Submukosa

T2 Tumor infiltriert die Muscularis propria oder die

Subserosa

T2a Tumor infiltriert die Muscularis propria

T2b Tumor infiltriert die Subserosa

T3 Penetration der Serosa ohne Invasion benachbarter

Strukturen

T4 Tumor infiltriert benachbarte Strukturen und/oder

Organe

N – Regionäre Lymphknoten

N0 Keine Lymphknotenmetastasen

N1 1–6 Lymphknoten betroffen

N2 7–15 Lymphknoten betroffen

N3 >15 Lymphknoten betroffen

M – Fernmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen (LYM, PER, HEP, PUL etc.)

R – Residualtumor

R0 Kein Residualtumor nachweisbar

R1 Mikrokopisch Residualtumor nachweisbar

R2 Makroskopisch Residualtumor nachweisbar

Tabelle 37.3. Stadiengruppierung des Magenkarzinoms

(UICC 2000)

Stadium Primärtumor

Regionäre

LK

Fernmetastasen

0 Tis N0 M0

IA T1 N0 M0

IB T1

T2a/b

N1

N0

M0

M0

II T1

T2a/b

T3

N2

N1

N0

M0

M0

M0

IIIA T2a/b

T3

T4

N2

N1

N0

M0

M0

M0

IIIB T3 N2 M0

IV T1, T2, T3

T4

Jedes T

N3

N1, N2, N3

Jedes N

M0

M0

M1

UICC/TNM-Klassifikation

Der Standard, der von der WHO zur Evaluation des Resektionspräparates

gefordert wird, umfasst folgende Parameter: Lokalisation

und Größe des Primärtumors, seine mikro- und makroskopische

Beschaffenheit, seine anatomische Ausdehnung und

das Ausmaß der Lymphknotenmetastasierung. Ganz entscheidend

ist das Verhältnis des Primärtumors zu den Resektionsrändern

( Tabelle 37.2, 37.3). Bei Analyse von Studien aus Japan

und der westlichen Welt ist zu beachten, dass verschiedene Stagingmodalitäten

herrschen, die Systeme sind nicht direkt vergleichbar.

Im Folgenden findet sich eine Beschreibung einiger spezieller

Aspekte der TNM-Klassifikation.

Ausmaß des Primärtumors (T-Kategorie)

T1/pT1. Das Stadium T1/pT1 bezeichnet Karzinome, welche die

Lamina propria mucosa oder die Submukosa infiltrieren. Diese

Kategorie entspricht dem Magenfrühkarzinom. Für die Diagnose

eines Magenfrühkarzinoms ist die komplette histologische Beurteilung

der resezierten Läsion erforderlich. Die unterschiedliche

Prognose für Mukosa- und Submukosakarzinome, basierend auf

ihrer unterschiedlichen Lymphknotenmetastasierung, bedingt

eine Differenzierung der pT1-Tumoren in

▬ pT1a (der Tumor infiltriert die Lamina propria) und

▬ pT1b (der Tumor infiltriert die Submukosa).

T2/pT2. Tumore, welche die Muscularis mucosa und oder die

Subserosa infiltrieren, werden als T2-Karzinome bezeichnet.

Diese Tumoren können sich hinter der Muscularis propria in die

gastrokolischen und gastrohepatischen Ligamente oder in das

Fettgewebe der großen oder kleinen Kurvatur ohne Perforation

des viszeralen Peritoneums ausbreiten. Seit 2002 wird in der

UICC zwischen pT2a- und pT2b-Tumoren unterschieden. Da

der Magen nicht vollständig von Serosa bedeckt ist, können T2-

Karzinome der großen und kleinen Kurvatur (des proximalen

454 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Drittels des Magens und der Hinterwand des Fundus) weit über

die Magenwand hinaus infiltrieren, ohne jemals die Serosa zu

perforieren (T3-Kategorie). Die Aufteilung in T2a/b versucht, die

unterschiedlich Prognose der T2-Karzinome zu verdeutlichen:

▬ T2a (der Tumor infiltriert die muscularis propria) und

▬ pT2b (der Tumor infiltriert die Subserosa und/oder nichtperitonealisiertes,

perigastrisches Fettgewebe).

Leider findet diese wichtige Spezifizierung keinen Niederschlag

in der Stadiengruppierung der UICC.

N-Kategorie. Die regionalen und nichtregionalen abdominalen

Lymphknoten (LK) sind nach den Empfehlungen der »Japanese

Research Society for Gastric Cancer« in anatomische Gruppen

aufgeteilt und stationsweise nummeriert (Japanese Research

Society for Gastric Cancer 1995). Die regionalen LK des Magens

sind aufgeteilt in zwei Kompartimente (1=perigastral und 2=perizöliakal).

Nichtregionale LK (jenseits des Truncus coeliacus)

werden als Kompartiment 3 bezeichnet. In der TNM-Klassifikation

wird die Lymphknotenmetastasierung nach der Anzahl der

involvierten LK bewertet:

▬ pN1: 1–6 metastatische LK,

▬ pN2: 6–15 und

▬ pN3: mehr als 15.

Im Gegensatz dazu wird nach der japanischen Klassifikation die

Lymphknotenmetastasierung innerhalb der Stationen 1–6, abhängig

von der genauen anatomischen Lage des Tumors, als pN1

klassifiziert. Der metastatische Befall wenigstens eines LK der

Gruppe 7–11 wird als pN2 bezeichnet, der metastatische Befall

der LK Nummer 12 (Lig. hepatoduodenale) wird bereits als eine

Fernmetastasierung (M1Lym) betrachtet. Dies muss beim Vergleich

von Studien immer beachtet werden.

Voraussetzung für die Diagnose pN0 beim Magenkarzinom

ist die histologische Begutachtung von mindestens 15 resezierten

Lymphknoten.

R-Klassifikation. Die Residualtumor(R)-Klassifikation ist von

ent scheidender Bedeutung für die Prognose des Patienten und

für weitere therapeutische Überlegungen nach der Operation.

Die Einteilung ist in Tabelle 37.2 dargestellt.

37.1.4 Prognosefaktoren

Unter einem Prognosefaktor versteht man einen klinischen oder

tumorbiologischen Parameter, der für sich allein die Prognose

eines Patienten messbar beeinflussen kann. Bei der Evaluierung

dieser Faktoren muss nach einem strengen und reproduzierbaren

Schema vorgegangen werden. Daten für Faktoren mit klinischer

Relevanz sollten nur prospektiv nach kompletter Tumorresektion

(R0-Resektion) erhoben werden. Die Patienten sollten

ferner nach standardisierten Therapieprotokollen behandelt

worden sein.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss die Unabhängigkeit

eines Prognosefaktors durch eine multivariate Analyse

bewiesen werden. Nur durch diese Analyseform kann der Einfluss

eines individuellen Faktors auf das Gesamtüberleben einer

Population statistisch abgesichert werden, die univariate Analyse

reicht hierzu nicht aus. Erst bei Einhaltung dieser Standards kann

ein Prognosefaktor als eigenständig gesichert werden (Siewert u.

Sendler 1995). Die teilweise widersprüchlichen Ergebnisse in der

Literatur zu Prognosefaktoren liegen zum Teil darin begründet,

dass für die Auswertung sowohl Daten von Patienten nach inkompletter

Resektion als auch retrospektiv asserviertes Paraffinmaterial

herangezogen wurde (Sendler et al. 1997).

Das Schicksal eines Patienten mit Magenkarzinom wird

durch die Möglichkeit der kompletten Resektion bestimmt. Konsequenterweise

ist die R0-Resektion auch der stärkste prognostische

Faktor in multivariat analysierten Studien (Bonenkamp et al.

1993; Siewert et al. 1998). Das mediane Überleben beträgt nach

explorativer Laparotomie nur 3 bis 5 Monate, nach R1- oder R2-

Resektion zwischen 7 und 11 Monaten (Siewert u. Fink 1995). Im

Folgenden soll nur auf Prognosefaktoren nach kompletter Resektion

eingegangen werden ( s. auch folgende Übersicht).

Verifizierte und vermutete Prognosefaktoren

beim Magenkarzinom

 Verifizierte Faktoren:

– TNM-Stadium,

– R-Kategorie,

– Lymphknotenratio (entfernt/befallen),

– freie Tumorzellen in der abdominellen Lavage.

 Nicht gesicherte Faktoren:

– histologische Klassifikation und Grading,

– Mikrometastasierung,

– Proliferation

(Ploidie, S-Phase, Mitosenindex, Zellkinetik),

– proliferationsassoziierte Antigene

(Ki-67, PCNA, p105),

– Protoonkogene

(c-myc, c-erbb-2/neu, c-ha-ras, c-ki-ras, int-2, hst-1),

– Tumorsuppressor-Gene

(nm 23, p53),

– Zelladhäsion

(Integrine, E-Cadherin, CD44, uPA/PAI);

– Varia

(Ca-195, EGFR, TGF-α, mdr 1).

Tumorbezogene Prognosefaktoren

Nach der R0-Resektion ist die anatomische Ausbreitung des Primärtumors

einschließlich seiner Metastasen der zweitwichtigste

Prognosefaktor. Multivariate Analysen belegen den großen Einfluss

des Ausmaßes der Magenwandinfiltration, der regionalen

Lymphknotenmetastasierung und des Vorhandenseins von Fernmetastasen

auf die Prognose. Durch die Infiltrationstiefe des Primärtumors

wird das Ausmaß der Lymphknotenbeteiligung prädisponiert.

So haben 70% der Patienten der pT3-Kategorie bereits

Lymphknotenmetastasen ( Abb. 37.4).

In zahlreichen multivariaten Analysen zeigt sich, dass

der Lymphknotenstatus des R0-resezierten Patienten der wichtigste

unabhängige Prognosefaktor ist. Bereits das «microinvolvement

» der LK (nur immunhistochemisch detektierbar,

isolierte oder kleine Gruppen von Tumorzellen in Lymphknoten,

die in der Routinehistologie als unauffällig befundet

wurden) hat eigenständige prognostische Bedeutung (Siewert

et al. 1996).

37.1 · Grundlagen 455 37

Freie Tumorzellen im Abdomen

Falls das Magenkarzinom das Mesothel der Serosa penetriert,

können freie Tumorzellen in der Bauchhöhle nachgewiesen werden.

Patienten, bei denen eine Invasion der Serosa und freie intraperitoneale

Tumorzellen vorliegen, haben eine signifikant

schlechtere Prognose (Bonenkamp et al. 1996; Burke et al. 1998).

Dabei spielte sogar das Ergebnis der Operation (palliativ oder

kurativ) eine geringere Rolle.

Zytokeratin-positive Zellen im Knochenmark

Der Nachweis von freien Tumorzellen im Knochenmark scheint

ein signifikanter Befund für ein früheres Rezidiv und generell

eine schlechtere Prognose zu sein. Im Frühstadium der Erkrankung

werden deutlich weniger Tumorzellen gefunden als bei

fortgeschrittenen Stadien. Doch erleiden nicht alle Patienten, bei

denen Tumorzellen im Knochenmark gefunden werden, ein Rezidiv

(Jauch et al. 1996; Heiss et al. 1997).

In einer Metaanalyse kam man jedoch einschränkend zum

Ergebnis, dass bei der Beurteilung freier Tumorzellen im Knochenmark

noch methodische Fragen unklar sind. Die definitive

Bedeutung für Diagnose, Prognose und Therapie muss letztendlich

als nicht gesichert angesehen werden (Borgen et al. 1998;

Funke u. Schraut 1998).

Tumorbiologische Faktoren

Der Einfluss der verschiedenen tumorbiologischen Faktoren auf

die Prognose ist in Abschn. 37.1.2 beschrieben. Generell ist zu

bemerken, dass sich die Studien für viele Faktoren oft diametral

widersprechen, die Kollektive oft sehr klein sind, und die Faktoren

retrospektiv untersucht wurden. Für die Zukunft ist durch

den Einsatz den Microarray-Technik mit der simultanen Untersuchung

der Expression von z. Z. bis zu 50.000 Genen – die jedoch

oft nicht definiert sind – eine exponentielle Zunahme der

Prognosemarker zu erwarten (Tay et al. 2003). Bis heute gibt es

jedoch kein verlässliches «Markerpanel» um die Prognose eines

Patienten entsprechend der Genexpression festzulegen, ebenfalls

hat noch kein tumorbiologischer Prognosefaktor den in Weg in

die klinische Anwendung gefunden. Es ist zu erwarten, dass sich

in der Zukunft mit Hilfe der Array-Technologie prätherapeutisch

relativ verlässliche Daten zur Chemosensitivität der Tumoren erhalten

werden können.

Patientenbezogene Prognosefaktoren

Der Einfluss von Alter und Geschlecht auf die Überlebenswahrscheinlichkeit

bleibt trotz großer multivariater Analysen widersprüchlich.

Die deutsche Magenkarzinomstudie hat aufgezeigt,

dass Komorbidität und Allgemeinzustand des Patienten (gemessen

nach dem Karnofsky-Index) die einzigen unabhängigen Prognosefaktoren

für Morbidität bzw. Überleben nach Gastrektomie

sind (Böttcher et al. 1992). Alle anderen patientenbezogenen Faktoren,

die aufgrund univariater Analysen veröffentlicht worden

sind (z. B. Gewichtsverlust, Hämoglobinwert bei Aufnahme, epigastrischer

Schmerz), sind in multivariaten Analysen nicht bestätigt

worden.

Therapiebezogene Prognosefaktoren

Die R0-Resektion ist der entscheidende prognostische Faktor bei

der Behandlung des Magenkarzinoms. Ihre Häufigkeit korreliert

direkt mit der Erfahrung des Behandlungszentrums und des

operierenden Chirurgen. In multivariaten Analysen wurde beides,

sowohl die Erfahrung des Behandlungszentrums als auch

die individuelle Erfahrung des operierenden Chirurgen, als unabhängiger

Einflussfaktor auf Morbidität und das Langzeitüberleben

dargestellt (Fujita u. Yamazaki 2002; Wainess et al. 2003).

Abb. 37.5 zeigt dazu die Ergebnisse der deutschen Magenkarzinomstudie.

Der Einfluss der erweiterten (D2-)Lymphadenektomie (LA)

auf das Überleben wird in Abschn. 37.5.1 genauer analysiert. Ein

therapieabhängiger prognostischer Faktor ist der sog. Lymphknoten-

Quotient: das Verhältnis zwischen der Anzahl der chirurgisch

entfernten und histologisch untersuchten LK und der

Anzahl der tumorbefallenen LK.

Die Prognose der Patienten kann durch eine Lymphadenektomie

immer dann nachhaltig verbessert werden, wenn der

Lymphknoten-Quotient <0,2 ist.

pT1a

b

pT2a

b

pT3

pT4

Mukosa

Submukosa

Muscularis

propria

Subserosa

Serosa

<5%

20 %

40 %

70 %

90 %

Abb. 37.4. Zunahme der Lymph- Primärtumor Lymphknoten

knotenmetastasierung in der jeweiligen

T-Kategorie

0

0

Komplikationsrate [%]

Resektionen / Monat [n]

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

55

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Abb. 37.5. Korrelation zwischen Resektionshäufigkeit und Morbidität

nach Gastrektomie, Daten der German Gastric Cancer Study (r=-0,26,

p=0,1)

456 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Das bedeutet für den klinischen Alltag, dass etwa 5-mal mehr LK

entfernt werden müssen, als in der Routinehistologie befallen

sind (Siewert et al. 1996).

Tabelle 37.4 zeigt eine Zusammenstellung der bisher bewiesenen

und noch fraglichen Prognosefaktoren.

37.2 Klinische Symptomatologie

Typisch für die Entwicklung des Magenkarzinoms ist, dass die

Symptome bis zu den Spätstadien der Erkrankung nur minimal

sind. Es gibt keine spezifischen Zeichen oder Symptome, die eindeutig

auf die Erkrankung hinweisen. Die Initialsymptome sind

indolent und werden vom Patienten meistens sehr gut toleriert,

all das führt zu einer Verzögerung der Diagnosestellung. Alle

Symptome können miteinander kombiniert sein, keines ist spezifisch

(Wanebo et al. 1993):

Symptom Inzidenz

[%]

Gewichtsverlust 61,6

Bauchschmerzen 51,6

Nausea 34,3

Meläna 20,2

Gewichtsverlust und unspezifische Abdominalbeschwerden sind

die häufigsten Initialsymptome. Gewichtsverlust weist jedoch oft

schon auf eine fortgeschrittene Erkrankung hin und Patienten

mit einem Gewichtsverlust über 5 kg haben ein kürzeres Überleben.

Die abdominellen Beschwerden beginnen als kaum merkbarer

Schmerz im oberen Abdomen; dieser variiert von einer

unbestimmten »Magenfülle« bis zu einem dauernden Schmerz.

Anorexie und Nausea kommen ebenfalls oft vor. Dysphagie weist

auf einen Tumor der Kardia oder des gastroösophagealen Übergangs

hin, Erbrechen findet sich mehr bei distalen Karzinomen,

die den Pylorus obstruieren. Patienten mit einem szirrhösen Karzinom

(Linitis plastica) können ein Gefühl schneller Sättigung

entwickeln. Obwohl eine Tumorblutung ungefähr bei 20% der

Patienten auftritt, ist eine massive Blutung aus Magenkarzinomen

selten zu beobachten. Die Blutung ist eher ein Symptom für einen

gastrointestinalen Stromatumor (GIST). Die körperliche Untersuchung

kann das Magenkarzinom allenfalls im Spätstadium

entdecken. Eine Gewebsvermehrung im Epigastrium, eine vergrößerte

Leber, Aszites, Gelbsucht oder schon tastbare supraklavikuläre

LK (Virchow) deuten auf eine weit fortgeschrittene und

inkurable Erkrankung.

Nach wie vor ist die Identifizierung von asymptomatischen

Patienten mit hohem Risiko für die Entstehung eines Tumors von

klinischer Bedeutung. Massenscreeningprogramme wie in Japan

sind jedoch in westlichen Ländern nicht kosteneffektiv. In einer

Arbeit von Hallissey et al. (1990) wurden die Vorteile der »open

access endoscopy« für Patienten älter als 40 Jahre mit unspezifischen

Magenbeschwerden dargestellt: Eine maligne Erkrankung

wurde bei jedem 25. Patienten, ein Magenkarzinom bei jeder 50.

Endoskopie gesichert. 30% der 57 Patienten, bei denen ein Magenkarzinom

bioptisch gesichert wurde, hatten ein Frühkarzinom.

37.3 Notwendige Diagnostik und Staging

Am Beginn der Diagnosestellung und des Stagings steht die Endoskopie.

Durch die moderne Videofiberendoskopie und durch

die histologische Diagnostik nach Biopsien ist die Ösophago-

Gastro-Duodenoskopie heutzutage die initiale Untersuchung bei

unspezifischen Oberbauchbeschwerden. Es gibt für das Magenkarzinom

keine spezifischen Serum-Tumormarker. Das CEA

(karzinoembryonales Antigen) ist v. a. bei Patienten mit bereits

fortgeschrittener Erkrankung deutlich erhöht, es kann u. U. als

Marker zum Monitoring des Therapieerfolges dienen; gleiches

gilt für das CA 72-4.

Nach der initialen Diagnose spielt die Evaluation, ob der Tumor

R0-resektabel ist, die entscheidende Rolle im Entscheidungsprozess

für oder gegen eine primäre Operation. Wie bereits ausgeführt,

kann die Prognose des Patienten nur durch eine R0-Resektion

verbessert werden. Falls generell die Chirurgie als die

einzige sinnvolle Therapiemöglichkeit erachtet wird, profitieren

nur Patienten mit irresektablen Tumoren von den oft zeitaufwändigen

und teuren diagnostischen Verfahren. Wenn jedoch multimodale

Therapiestrategien bei der Behandlung des Magenkarzinoms

in Erwägung gezogen werden, ist die stadienspezifische

Therapie Ziel dieser Diagnostik.

37.3.1 Staging

Nach den Regeln der UICC und der American Joint Commission

on Cancer (AJCC) wird das Staging des Magenkarzinoms nach

dem TNM-System durchgeführt ( Tabelle 37.2, 37.3). Das moderne

Staging geht über körperliche Untersuchung, genaue Anamnese

und Basisuntersuchungen wie Endoskopie, Biopsie, Oberbauchsonographie

hinaus. Heutzutage sollte es den endoluminalen

Ultraschall (EUS) und bei lokal fortgeschrittenen Befunden

die chirurgische Laparoskopie einschließen.

Primärtumor

Bei der ersten Endoskopie sollte die Lokalisation des Tumors und

seine makroskopische Beschaffenheit nach Borrmann klassifiziert

werden. Die Lokalisation des Tumors ist entscheidend, da

sie unterschiedliche operative Strategien impliziert. Tumoren des

proximalen Magendrittels können oft nicht von den eigentlichen

Tabelle 37.4. Prognosefaktoren beim Magenkarzinom

Faktoren Bewiesen Fraglich

Tumorbezogen

TNM-Stadium Tumorlokalisation

Tumormarker

(Serum und Lavage)

Histologie

Freie Tumorzellen Tumorbiologische

Marker

Knochenmarkbefall

Patientenbezogen

Komorbidität Geschlecht

Allgemeinzustand

Therapiebezogen

R0-Resektion Ausmaß der LA

(D1/D2)

Erfahrung des Zentrums

Lymphknoten-Quotient adjuvante Therapie

457 37

Kardiakarzinomen differenziert werden. Ferner müssen diese

Tumoren deutlich von den Adenokarzinomen des distalen Ösophagus

(Barrett-Karzinom) unterschieden werden.

Nach unserer Erfahrung können diese 3 Tumorentitäten

(AEG, adenocarcinoma of the esophago-gastric junction) am

besten nach der Lokalisation des Zentrums des Tumors unterschieden

werden (Siewert u. Stein 1998). Die Diagnose des Barrett-

Karzinoms (AEG Typ I) ist meistens einfach, da in 75–80%

der Fälle das begleitende spezialisierte Zylinderepithel gefunden

wird (Endobrachyösophagus). Beim Fehlen eines Endobrachyösophagus

müssen mindestens zwei Drittel der Tumormasse im

tubulären Ösophagus liegen, um einen Tumor als Barrett-Karzinom

zu klassifizieren. Bei proximalen Magenkarzinomen (AEG

Typ III) muss das Zentrum des Tumors deutlich aboral der anatomischen

Kardia liegen. Tumoren, deren Zentrum innerhalb

von 2 cm oral oder aboral der anatomischen Kardia gelegen ist,

werden danach konsequenterweise als reine Kardiakarzinome

klassifiziert (AEG Typ II, Abb. 37.6).

Bei der ersten Biopsie wird der histologische Typ des Tumors

bestimmt.

Cave

Magenlymphome (MALT) müssen vor Behandlungsbeginn

definitiv ausgeschlossen werden, da diese Tumorentität

primär konservativ behandelt wird.

Ferner wird bei den ersten Biopsien die histopathologische Klassifikation

nach Laurén durchgeführt.

Da die Tiefe der Infiltration einer der wichtigsten Prognosefaktoren

ist, ist der EUS der nächste Schritt in der weiteren Diagnostik.

Die diagnostische Genauigkeit des Ultraschalls beträgt

hinsichtlich der T-Kategorie ungefähr 85% ( Tabelle 37.5). Probleme

treten nach wie vor auf bei der Differenzierung des T2-

vom T3-Stadium, also bei der Unterscheidung von lokalen und

lokal fortgeschrittenen Tumoren, speziell beim ulzerierten Magenkarzinom

ist es schwierig, zwischen Karzinom, entzündetem

Gewebe und Fibrose zu unterscheiden (»Miss-Staging«, Tabelle

37.6; Rösch 1995). Auf jeden Fall ist der EUS der CT in der Bestimmung

des T-Stadiums überlegen. Lightdale (1992) fand eine

Übereinstimmung von 92% zwischen EUS und pTNM- Stadium

und nur eine von 42% zwischen CT und postopera tiver Pathologie.

Auch mit der Spiral-CT lässt sich nur eine 65%ige Übereinstimmung

erzielen. Dabei scheint die MRT noch etwas besser abzuschneiden

(18 vs. 73% Genauigkeit; Sohn et al. 2000).

Über die Ergebnisse mit der modernen Mehrzeilen-Spiral-

CT (MS-CT) liegen noch keine publizierten Daten vor. Sie bietet

dem Chirurgen jedoch den Vorteil der Visualisierung der Befunde

zeitgleich in koronaren Schichten und in der dreidimensionalen

Rekonstruktion. Da eine CT-Untersuchung des Abdomens

beim fortgeschrittenen Magenkarzinom immer erforderlich ist,

ist dies sicher die Methode der Zukunft.

In letzter Zeit wird der Einsatz der Endosonographie zunehmend

kritisch diskutiert, da sich in der klinischen Routine deutlich

schlechtere Sensitivitäten zeigen (Bösing et al. 2003). Zwei

Dinge sind hierbei zu beachten: Die Methodik ist zum einen untersucherabhängig,

zum anderen ist derzeit kein Verfahren in der

Lage, mit gleicher Sensitivität die Tiefeninfiltration zu bestimmen.

Zudem sind weitere technische Verbesserungen, wie z. B.

Minisondenendoskopie, zu erwarten.

Lymphknotenmetastasierung

Die Erfassung des Lymphknotenbefalls ist nach wie vor schwierig.

Beim EUS wird eine diagnostische Genauigkeit von nur 65–

87% angegeben ( Tabelle 37.5; Rösch 1995). Diese Ergebnisse

bewerten den Nodalstatus nach der alten TNM-Klassifikation

(1987), nach der neuen Klassifikation ist eher eine noch gerindistales

Ösophaguskarzinom

I

II

III

Kardiakarzinom

subkardiales

Karzinom

Zentrum

des Tumors

5

1

0

5

AEG cm

Typ

Abb. 37.6. Einteilung der Karzinome des gastroösophagealen Übergangs

(AEG)

Tabelle 37.5. Genauigkeit der EUS im Staging des Magenkarzinoms

(TNM, UICC 1983). (Rösch 1995)

Stadium n EUS-Genauigkeit

[%]

T1 483 86

T2 301 64

T3 500 91

T4 143 80

N0 282 85

N1 311 71

N2 232 65

Tabelle 37.6. »Miss-Staging« durch EUS – T-Kategorie.

(Rösch 1995)

Kategorie

n Korrekt

[%]

Understaging

[%]

Overstaging

[%]

T1 413 86 14

T2 282 71 8 21

T3 242 89 7 4

T4 120 81 19

37.3 · Notwendige Diagnostik und Staging

458 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

gere Sensitivität zu erwarten, da nicht die Nähe zum Tumor,

sondern die Anzahl der befallenen LK entscheidend ist. Wie in

Abb. 37.4 gezeigt, korrelieren T-Kategorie und Anzahl und Lokalisation

der infiltrierten Lymphknoten. T3-Tumoren haben

bereits eine Wahrscheinlichkeit von 70% positiver LK ( Abb. 37.4;

Siewert et al. 1997). Der EUS ist auf jeden Fall akkurater als

der perkutane Ultraschall oder das CT für die Erfassung der NKategorie.

Durch ein von K. Maruyama (National Cancer Center Tokyo)

entwickeltes Computerprogramm lässt sich das Problem, metastatisch

befallene LK zu erfassen, relativ sicher (94%) überwinden.

Zusätzlich ist es möglich, die Lokalisation der zu erwartenden

Metastasen vorherzusagen (Maruyama et al. 1989). Abb. 37.7

zeigt ein Beispiel des Programms für ein proximal gelegenes

T3-Karzinom, Grundlage der angezeigten LK-Stationen ist die

Klassifikation der Japanese Gastric Cancer Association.

M-Kategorie – Fernmetastasen

Durch die embryonale Rotation des Magens metastasiert das Magenkarzinom

nicht nur in die LK des großen und kleinen Netzes,

sondern auch in die LK um den Truncus coeliacus und damit in

den Retroperitonealraum (Sarrazin et al. 1980). Der Tumor selbst

kann per continuitatem die Leber, das Pankreas, die Milz und das

Colon transversum infiltrieren. Selten, bei ungefähr 3% der Fälle,

metastasiert der Tumor primär in das Knochenmark, bei Frauen

kommen Abtropfmetastasen auf den Ovarien (Krukenberg-Tumoren)

vor.

Die verschiedenen Untergruppen der Laurén-Klassifikation

haben ebenfalls unterschiedliche Wege der Metastasierung. Während

der intestinale Typ vor allen Dingen die Leber und die LK

infiltriert, metastasiert der diffuse Typ rasch in das Peritoneum

(Weiss et al. 1993). Zieht man diese Metastasierungswege in Betracht,

ist die CT-Untersuchung des Abdomens und Beckens

beim Staging des Magenkarzinoms unabdingbar. Ein Problem

dabei ist, dass die Metastasierung in das Peritoneum durch die

CT nur dann vermutet werden kann, wenn schon Aszites vorliegt.

In der Leber bereiten die kleinen Metastasen (<1 cm im

Durchmesser) ein Problem, da sie durch die etablierten diagnostischen

Methoden oft nicht visualisierbar sind. Die Sensitivität

des Ultraschalls und der Spiral-CT für die Erfassung von Lebermetastasen

liegt ungefähr bei 85% (Saini 1997). Die derzeit wohl

beste Methode zur Erfassung der Lebermetastasen ist das MRT

mit Gadolinium als Kontrastmittel, von Sensitivitäten bis zu 90%

wird berichtet (Rode et al. 2001).

Momentan besteht für den Einsatz der Positronenemissionstomographie

(PET) im Staging des Magenkarzinoms im Rahmen

der klinischen Routine keine Indikation. Über die Sensitivität des

Lymphknotenstaging werden divergierende Ergebnisse publiziert

(zwischen 23 und 91%). Sicher scheint zu sein, dass Karzinome

vom diffusen Typ aufgrund der oft ausgeprägten Desmoplasie

schlecht in FDG(Fluorodesoxyglukose)-PET abgebildet werden

(Mochiki et al. 2004; Yoshioka et al. 2003).

Die dargestellten Probleme des Stagings der Abdominalhöhle

werden durch die chirurgische Laparoskopie überwunden. Die

peritoneale Aussaat ist einfach zu sichern und wird durch die

Biopsie bewiesen. In einer Studie wurde die Peritonealkarzinose,

die im konventionellen Staging nicht diagnostiziert worden war,

bei 23% von 111 Patienten während der Laparoskopie gesichert

(Feussner et al. 1999). Durch den laparoskopischen Ultraschall

wird die Erfassung von kleinen Lebermetastasen möglich. Weiterhin

kann während der Laparoskopie eine Lavage gewonnen

werden, um freie Tumorzellen in der Bauchhöhle zu detektieren.

Die Durchführung einer chirurgischen Laparoskopie beim lokal

fortgeschrittenen Magenkarzinom gehört in Zentren zur diagnostischen

Routine (Blackshaw et al. 2003; Sendler u. Siewert

2003).

Das Staging für Fernmetastasen wird abgeschlossen durch

eine konventionelle Röntgenuntersuchung des Thorax.

Bei primärer Leuko-/Thrombozytopenie ist ein Knochenszintigramm

zum Ausschluss einer Infiltration des Knochenmarkes

indiziert.

Abb. 37.8 zeigt einen diagnostischen Algorithmus für das präoperative

Staging, durch das die Identifizierung einer Gruppe von

Patienten mit lokal fortgeschrittenem Karzinom möglich wird,

die von einer multimodalen Therapie profitiert.

LN-8

8%

LN-7

33 %

LN-1

17 %

LN-3

42 %

LN-4

67 %

LN-5

17 %

LN-6

17 %

LN-2

0%

LN-10

0%

LN-11

0%

LN-9

0%

LN-12

0%

LN-13

0%

LN-14

0%

LN-16

0%

LN-15

0%

Abb. 37.7. Darstellung der LK-Metastasierung

mit Hilfe des Maruyama-

Computerprogramms im Falle eines

lokal fortgeschrittenen Karzinoms (cT3)

im Magenkorpus

459 37

37.4 Operative Therapie

37.4.1 Therapieziele

Bis heute ist die Behandlung unter »kurativer« Intention nur

durch die Resektion des Magenkarzinoms und seines Lymphabflussgebietes

möglich. Im Folgenden wird auf die Möglichkeiten

der modernen Magenchirurgie, die Komplikationen und die Ergebnisse

eingegangen ( Tabelle 37.7). Weitere Behandlungsoptionen

bietet die Chemotherapie, als neoadjuvante (präoperative),

adjuvante oder additive (palliative) Form und – in wenigen Fällen

– die Strahlentherapie.

Ziel jeder Resektion eines Magenkarzinoms sollte die komplette

Tumorentfernung sein. Dieses entspricht einer R0-Resektion

gemäß der UICC. Die vollständige Resektion bezieht sich

einerseits auf den Primärtumor (kein Residualtumor an den oralen

und aboralen Resektionsrändern und im Tumorbett, »dritte

Dimension«), andererseits auf die Lymphabflussgebiete. Das

Minimalziel ist, keinen Residualtumor in den Grenzlymphknoten

zurückzulassen.

Um die Prognose eines Patienten durch die Operation zu

verbessern, muss der Tumor mit adäquaten Sicherheitsabständen

entfernt werden. Das Ausmaß der Abstände wird durch den

Wachstumstyp des Tumors (Laurén-Klassifikation), das histologische

Grading und die T-Kategorie bedingt. Magenkarzinome

des diffusen Typs nach Laurén benötigen einen weiteren Sicherheitsabstand

als Tumoren des intestinalen Typs, dies gilt auch für

das Tumorbett. In Untersuchungen findet sich eine signifikante

Korrelation zwischen T-Kategorie und R0-Resektionsrate ( Tabelle

37.8).

Videoendoskopie

Biopsie

Endoskopischer Ultraschall

T1/T2-Tumor T3/T4-Tumor

Oberbauchsonographie

CT-Abdomen/Becken

Diagnostische Laparoskopie

(+ Lap. Ultraschall und

Lavagezytologie)

Resektion Neoadjuvante Therapie

Metastasen?

Umgebungsbeziehungen?

Metastasen?

Peritonealkarzinose?

Lebermetastasen?

Freie Tumorzellen?

Lokalisation?

Klassifikation ?

(Borrmann, Laurén)

Grading, Prognosefaktoren?

Tumorausdehnung

(T-/N-Kategorie?)

Maruyama-

Computerprogramm

Abb. 37.8.

Algorithmus zur Diagnostik

des Magenkarzinoms

Tabelle 37.7. Magenkarzinom: Verfahrenswahl bei der chirurgischen Therapie

Stadium Empfohlenes Vorgehen

IA Resektion durch kombinierte endoskopisch-laparoskopische Wedge-Resektion

Bei anatomisch ungünstiger Lokalisation und bei Hochrisikopatienten: endoskopische Mukosaresektion

Palliativsituation: Lasertherapie

IB, II, IIIA im distalen

Magendrittel

Subtotale Gastrektomie und D2-LA (bei pylorusnahen Tumoren mit Ausdehnung auf die LK-Stationen 12, 13

und 16 rechts)

IB, II, IIIA im mittleren

Magendrittel

Totale Gastrektomie und D2-LA

IB, II, IIIA im proximalen

Magendrittel

Erweiterte Gastrektomie mit Einbeziehung des distalen Ösophagus (tranhshiatal erweitert) und D2-LA mit

Ausdehnung auf die LK-Stationen 10, 11 und 16 (links)

IIIB, IV Neoadjuvante Chemotherapie, bei Ansprechen Tumorresektion, palliative Chemotherapie

Palliative Verfahren, z. B. Gastroenterostomie, Stenteinlage, Lasertherapie

Gastrektomie nur bei Blutung oder kompletter Magenausgangsstenose

37.4 · Operative Therapie

460 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Der Sicherheitsabstand sollte auch im Gebiet des Lymphabflusses

beibehalten werden. N-Kategorie und R0-Resektionsrate

korrelieren ebenfalls miteinander. Falls die Prognose durch die

Resektion verbessert werden soll, muss die Anzahl der entfernten

LK die Anzahl der metastatisch befallenen LK deutlich

übersteigen. In multivariaten Analysen ist das Verhältnis von

metastatischen zu entfernten LK (»lymph node ratio«) ein eigenständiger

Prognosefaktor (Siewert et al. 1993). Um die Prognose

zu verbessern ist ein Lymphknoten-Quotient <0,2 erforderlich

(d. h. maximal 20% der entfernten LK sind metastatisch befallen).

Operationen, die nicht mit einer kompletten Entfernung

der Tumors und seines Drainagegebietes beendet werden,

verbessern die Prognose des Patienten in keiner Hinsicht

und sind rein palliative Maßnahmen.

37.4.2 Indikationsstellung

Mit Hilfe der bereits beschriebenen Stagingmodalitäten kann

heutzutage die Ausbreitung eines Tumors mit einer Genauigkeit

von 80–85% vorhergesagt werden. Es sind drei unterschiedliche

Situationen mit verschiedenen therapeutischen Strategien zu

unterscheiden:

Stadium IA

Die Subgruppe von Patienten (im eigenen Krankengut 8%) mit

Magenfrühkarzinom kann mit einer lokalen Exzision behandelt

werden. Die Wahrscheinlichkeit der Lymphknotenmetastasierung

in diesem Stadium ist <4%. Diese limitierte Chirurgie kann

endoskopisch oder laparoskopisch durchgeführt werden. Das

Problem liegt hier nach wie vor beim EUS, der nicht mit der

nötigen Sicherheit zwischen Befall der Mukosa und Submukosa

differenzieren kann.

Deshalb sollte auch bei Patienten mit Magenkarzinom im

Stadium IA immer die Exzision der gesamten Magenwand

angestrebt werden, um nach der lokalen Resektion die

Tiefeninfiltration histologisch verifizieren zu können.

Stadium IB, II und IIIA

Die Lymphknotenmetastasierung wird in diesen Tumorstadien

bereits zu einem hohen Prozentsatz erwartet. Diese Gruppe profitiert

am meisten von der radikalen Chirurgie, vor allen Dingen

von der erweiterten D2-Lymphadenektomie. In diesen Stadien ist

es möglich, eine R0-Resektion sowohl des Primärtumors als auch

seines Lymphabflussgebietes mit ausreichenden Sicherheitsabständen

zu erreichen.

Stadium IIIB und IV

Die dritte Behandlungsgruppe umfasst die lokal weit fortgeschrittenen

Magenkarzinome, die oft schon fernmetastasiert

sind. In dieser Situation kann eine komplette Entfernung des

Tumors durch eine chirurgische Resektion nicht mehr erreicht

werden. praktisch immer bleibt mikroskopisch oder makroskopisch

Re sidualtumor in situ. Die belastende Operation ist dann

nur pal liativ und verbessert die Prognose des Patienten nicht.

Hier sind flankierende chemotherapeutische Maßnahmen besonders

wichtig.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die primäre Resektion

und LA im Stadium IB, II und III die Therapie der Wahl

ist. Neoadjuvante Therapiekonzepte sollten bei Tumoren des

Stadiums IIIb und IV angewandt werden. Diese Prinzipien treffen

auf Tumoren jeder Lokalisation zu. Der Bereich, in dem die

Operation sinnvoll in der Therapie des Magenkarzinoms eingesetzt

werden kann, wird als »chirurgisches Fenster« bezeichnet

( Abb. 37.9).

37.4.3 Chirurgische Strategien

Limitierte Chirurgie im Tumorstadium IA

Der entscheidende Punkt im Entscheidungsprozess für oder gegen

die limitierte Chirurgie ist die präoperative Differenzierung

zwischen Mukosa- und Submukosakarzinom. Diese Information

ist nur durch den endoluminalen Ultraschall zu erreichen. Die

endosonographische Entscheidung zwischen Mukosa- und Submukosakarzinom

ist jedoch schwierig. In einer Studie von Yanai

et al. (1997) wurde von einer Genauigkeit von 72% für die En-

Tabelle 37.8. R0-Resektionen in Abhängigkeit der pT- und

pN-Kategorie, Daten der deutschen Magenkarzinomstudie.

(Roder et al. 1993)

Kategorie R0-Resektion

[%]

pT1 98,2

pT2 86,7

pT3 59,7

pT4 40,6

pN0 95,6

pN1 74,7

pN2 60,2

Limitierte

Chirurgie

Chirurgisches Fenster

Stadium

0 I II III IV

Radikale

Chirurgie

Multimodale

Therapie

A B A B

D1 D2 D3/4 LA

Abb. 37.9. Tumorstadien, in denen durch die Gastrektomie mit erweiterter

Lymphadenektomie (D2) die Prognose signifikant verbessert

werden kann, »chirurgisches Fenster«

461 37

doskopie und nur 65% für den EUS berichtet. Yasuda (1995) berichtete

über eine Genauigkeit von 79,5 bzw. 72,7% (pT1a vs.

pT1b) in über 600 untersuchten Fällen. Die Inzidenz der Lymphknotenmetastasen

beim Magenfrühkarzinom ist abhängig von

der Tiefe der Infiltration, dem Grading, dem makroskopischen

Erscheinungsbild und dem Durchmesser des Tumors.

In einer japanischen Studie mit mehr als 5000 Patienten mit

Magenfrühkarzinom und totaler Gastrektomie mit D2-LA fand

sich bei gut differenzierten Mukosakarzinomen <30 mm Durchmesser

keine Lymphknotenmetastasierung (n=1230). Unabhängig

von der Tumorgröße fand sich bei keiner der 929 Läsionen

ohne Ulzeration eine Lymphknotenmetastasierung (Gotoda et al.

2000). Bei Karzinomen vom hervorstehenden Typ (I, IIA) mit

einem Durchmesser <20 mm und beim exkavierten Typ (IIC),

ebenfalls mit einem Durchmesser <20 mm finden sich Lymphknotenmetastasen

in weniger als 2%.

Es gibt drei Möglichkeiten der limitierten Behandlung des

Magenfrühkarzinoms:

▬ Lasertherapie,

▬ endoskopische Mukosaresektion und

▬ kombinierte endoskopisch-laparoskopische Magenwandresektion.

Nachteil der Lasertherapie ist, dass nach Mukosaablation kein

Resektat zur histopathologischen Aufarbeitung zur Verfügung

steht. Aus diesem Grund sollte diese Therapieform nur

bei Hochrisikopatienten oder in palliativen Situationen Anwendung

finden.

Nach endoskopischer Mukosaresektion ist die histologische Beurteilung

des Resektates möglich. Diese Technik ist jedoch nicht

in allen anatomischen Regionen anwendbar (Tani et al. 2001). In

einer Studie aus dem Jahre 1993 wird über eine Serie von 82 Patienten

mit 97 Tumoren berichtet, die endoskopisch reseziert

worden waren. Diese Gruppe wurde mit einer Gruppe von 27

Patienten nach offener Resektion verglichen. In den 5-JahresÜberlebenskurven

fanden sich keine Unterschiede (Tada et al.

1993).

Cave

Nach Mukosaablation muss eine Submukosainfiltration histopathologisch

sicher ausgeschlossen werden.

Wenn die Therapie der endoskopischen Mukosaresektion oder

Lasertherapie in Betracht gezogen werden sollte, sind folgende

Kriterien verpflichtend:

▬ Mukosatumor,

▬ <2 cm im Durchmesser,

▬ Wachstumstypen I, IIA, IIC und

▬ intestinaler Typ nach Laurén.

Das vielversprechendste Prinzip der lokalen Behandlung der Magenfrühkarzinome

ist die kombinierte endoskopisch-laparoskopische

Magenwandresektion, die »laparoscopic wedge resection«

(Ohgami et al. 1993). Bei dieser Operation wird nach endoskopischer

Einstellung des Tumors und »lifting« des Bezirks mit einem

Metallhaken ein Teil der Magenwand mit Hilfe des Endo-GIA in

toto reseziert, danach kann eine genaue histopathologische Aufarbeitung

erfolgen. Nach 5-jähriger Nachbeobachtungszeit berichten

Ohgami et al. (1999) von nur einer zusätzlichen Gastrektomie

und 2 intragastrischen Rezidiven nahe der Stapler-Linie.

Wenn ein Submukosakarzinom diagnostiziert wird, folgt die offene

Resektion. Abb. 37.10 zeigt eine schematische Darstellung

der Methodik.

Chirurgie des fortgeschrittenen Magenkarzinoms

(Stadium IB, II, IIIA)

Verfahrenswahl

Die Auswahl des Operationsverfahrens bei Patienten mit Magenkarzinom

richtet sich v. a. nach der anatomischen Lokalisation

des Tumors. Basierend auf den Empfehlungen der UICC und der

Japanese Research Society for Gastric Cancer wird der Magen in

Drittel aufgeteilt. Obwohl die Grenzen zwischen diesen Dritteln

nicht exakt definiert sind, hat sich diese Unterscheidung als

äußerst hilfreich zur Festlegung der Resektionsgrenzen gezeigt

( Abb. 37.11). Wie bereits erwähnt, bestimmt auch der Wachstumstyp

der Tumoren das Ausmaß der Resektion. Die unterschiedlichen

Wachstumstypen nach Laurén definieren den minimal

nötigen Sicherheitsabstand.

Abb. 37.10. Laparoscopic wedge resection

Transhiatal erweiterte Gastrektomie

D2-LN-Dissektion +

pankreaserhaltende Splenektomie (LN 10) +

retroperitoneale LN paraaortal links (LN 16)

Totale Gastrektomie

D2-LN-Dissektion

LN 1-6 Kompartement I +

LN 7-12 Kompartement II

Subtotale Gastrektomie

D2-LN-Dissektion +

Lig. hepatoduodenale (LN 12) +

retroduodenal (LN 13) +

paraaortal rechts (LN 16)

M

C

A

Abb. 37.11. Operative Verfahrenswahl beim Magenkarzinom bei

unterschiedlicher Lokalisation. C Kardiaregion, M mittleres Drittel,

A Antrum. Gastric Cancer Association

37.4 · Operative Therapie

462 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Bei der Planung des extraluminalen Ausmaßes der Resektion

sind evtl. befallene LK ein weiterer zu bedenkender Parameter.

Die Wahrscheinlichkeit der Lymphknotenmetastasierung ist abhängig

vom T-Stadium. Abb. 37.12 zeigt die Definition der LKStationen

gemäß der Japanese Gastric Cancer Association.

Magenkarzinome des distalen Drittels. Nach den Ergebnissen

einer Studie der Italian Gastrointestinal Tumor Study Group ist

bei Tumoren des distalen Drittels – unabhängig von der Laurén-

Klassifikation – die subtotale Gastrektomie die Methode der

Wahl. In dieser Studie wurden 315 Patienten in die Gruppe

»subtotale Gastrektomie« und 303 in die Gruppe »totale Gastrektomie

« randomisiert. Einschlusskriterien waren Tumoren mit

proximalem Ende wenigstens 6 cm von der Kardia und keine

Fernmetastasierung. Bei beiden Operationsverfahren wurde eine

D2-LA durchgeführt. Das 5-Jahresüberleben war 65,3% für die

Gruppe nach subtotaler und 62,4% für die nach totaler Gastrektomie

(Bozzetti et al. 1999).

Wie bei den Magenkarzinomen anderer Lokalisation ist die

D2-Lymphknotendissektion die Methode der Wahl. Bei Patienten

mit pylorusnahen Tumoren muss die Lymphknotendissektion

die LK-Stationen 12 (LK des Lig. hepatoduodenale), 13 (retroduodenale

LK) und 16 (paraaortale LK rechts) mit umfassen.

Karzinome des mittleren Magendrittels. Bei diesen Tumoren

wird eine totale Gastrektomie und eine D2-LA durchgeführt. Die

D2-Resektion umfasst die LK-Stationen 1–6 (Kompartiment 1)

und 7–11 (Kompartiment 2).

Magenkarzinome des proximalen Drittels. Bei diesen Tumoren

wird eine erweiterte Gastrektomie, die den distalen Ösophagus

mit umfasst, durchgeführt.

Um den oralen Resektionsrand mit absoluter Sicherheit festzulegen,

ist hier eine intraoperative Schnellschnittdiagnostik

zu empfehlen.

Die D2-Lymphknotendissektion ist Standard. Die Dissektion

der LK-Stationen 10 und 11 wird am besten durch die sog.

»pancreas preserving splenectomy« erreicht, die wenig komplikationsbeladen

ist (Maruyama et al. 1987). Die retroperitoneale,

paraaortale LA links bis zur Nierenvene (LK-Station 16)

ist erforderlich, um den retroperitonealen Lymphabflussweg

von der Hinterrand des Fundus und der Kardia mit zu erfassen.

Dieser Lymphabfluss läuft entlang der großen retroperitonealen

Gefäße zur linken Nebenniere und zum linken Nierenhilus

( Abb. 37.13).

Chirurgie in der palliativen Situation

Wenn man die epidemiologischen Faktoren der Patienten mit

Magenkarzinom in Deutschland und Nordamerika analysiert,

haben mehr als 60% der Patienten einen lokal fortgeschrittenen

Tumor zum Zeitpunkt der Diagnosestellung (Siewert et al. 1997).

In diesem Fall sind folgende therapeutische Optionen vorhanden:

110

111

11

19

11

18

20

13

8p

12

16

2

1

4sa

10

3 10

3

7

9

4sb

4sb

4d

4d

14a

16

16 16

9 9

12

12 5 8a

14v

4d

6

17

15

13

Abb. 37.12.

Klassifikation und

Nummerierung der

LK-Stationen gemäß der

japanischen Klassifikation

463 37

▬ präoperative Chemotherapie mit nachfolgender Resektion

im Falle eines Ansprechen des Tumors auf die Therapie,

▬ alleinige palliative Therapie der Tumorkomplikationen, um

die Lebensqualität des Patienten vorübergehend zu verbessern

(z. B. Gastroenterostomie bei Magenausgangsstenose,

Einlage eines Tubus bei Dysphagie oder Gastrektomie bei

akuter Blutung).

Ziel dieser palliativen Maßnahmen ist generell die Intervention

mit dem geringsten Risiko für den Patienten, ohne zu versuchen,

eine Reduktion der Tumormasse zu erreichen. Bei Blutungskomplikationen

können Laserkoagulation oder endoskopische Unterspritzung

versucht werden. Bei einer Tumorobstruktion in

Höhe der Kardia oder bei subkardialem Magenkarzinom kann

eine Passageöffnung durch eine Überbrückung mittels Stent erfolgen,

dabei haben sich die modernen Stents zunehmend bewährt,

auch im Fall eines Rezidivs (Jeong et al. 2004).

Cave

Eine chirurgische Intervention zur Beseitigung einer proximalen

Obstruktion sollte unter allen Umständen vermieden

werden, sie ist sehr risikoreich und von unbestimmten Wert

(Siewert et al. 1995b). Bei Patienten, die eine distale Magenobstruktion

aufweisen, wird generell eine Gastroenterostomie

angelegt.

Ein sehr schwieriges Problem ist bei Patienten vorhanden, die

aufgrund einer Peritonealkarzinose einen Dünn- oder Dickdarmileus

entwickeln. In diesen prognostisch hoffnungslosen

Situationen ist ein chirurgischer Ansatz mit einem akzeptablen

Risiko nicht möglich (außer bei Patienten mit isolierter Stenose).

Die Behandlung sollte rein konservativ durch die parenterale Ernährung

erfolgen.

37.5 Operationstechnik

37.5.1 Lymphadenektomie

Die D1-LA wird definiert durch die Entfernung der LK-Stationen

1–6 an der großen und kleinen Kurvatur. In Japan und in den

Zentren der westlichen Welt wird jedoch die D2-LA als Standardtherapie

angesehen (LK-Stationen 1–6 und 7–11). Für Tumoren

des mittleren Magendrittels gilt diese Regel ohne Ausnahme. Für

Tumoren des proximalen oder distalen Drittels wird die D2-LA

um die bereits erwähnten LK-Stationen erweitert, je nach der

Lokalisation des Tumors (D2 plus bzw. D3- oder D4-Lymphknotendissektion).

In westlichen Ländern wird die LA in »En-bloc-Technik«

durchgeführt. Dabei wird das lymphatische Gewebe en bloc von

der Peripherie zum Zentrum des Tumors entfernt (zentripetal).

Die LK sind damit sämtlich am Resektionspräparat vorhanden

und der Pathologe ist in der Lage, die anatomische Lokalisation

der LK zu identifizieren, sie zu dissezieren und zu zählen. Nur

durch diese En-bloc-Technik können alle wichtigen Prognosefaktoren,

die das Resektat bietet, evaluiert werden. In den japanischen

Zentren werden die LK durch den operierenden Chirurgen

selbst disseziert und entsprechend ihrer Lokalisation klassifiziert

und erst dann dem Pathologen zur Befundung zugesandt.

Zur Frage des Ausmaßes der Lymphadenektomie

Die internationale chirurgische Kontroverse über das notwendige

Ausmaß der LA ist in den letzten Jahren beendet worden.

Auch nach beiden randomisierten Studien (D1- vs. D2-LA), die

keinen Überlebensvorteil der Gesamtkollektive berichten konnten,

gilt in Japan und in den westlichen Zentren die D2-LA

als Standard (Bonenkamp et al. 1999; Brennan 1999; Cuschieri

et al. 1999).

Nichtrandomisierte Studien ergaben keine Unterschiede hinsichtlich

Mortalität und Morbidität ( Tabelle 37.9). Demgegenüber

zeigt sich eine signifikant erhöhte Morbidität und Mortalität

für die D2-LA in beiden prospektiv randomisierten Studien aus

Abb. 37.13a,b. Retroperitonealer Lymphabfluss der Kardia

a b

37.5 · Operationstechnik

464 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

den Niederlanden und aus Großbritannien ( Tabelle 37.10). Die

Mortalität in der D2-LA Gruppe betrug in der niederländischen

Studie 10% (32 von 390), in der MRC-Studie 13% (26 von 200).

Allein durch diese hohe postoperative Mortalität können eventuelle

Vorteile im Langzeitüberleben verschleiert werden.

Beide Studien beinhalten jedoch Probleme, die für die höhere

Mortalität nach D2-LA verantwortlich gemacht werden könnten:

Die hohen Komplikationsraten der D2-LA in beiden Studien

werden durch die höhere Anzahl von Splenektomien und

Pankreaslinksresektionen in dieser Gruppe erklärt: DGCT (Dutch

Gastric Cancer Trial): 32 vs. 3% (D1), MRC: 56,5 vs. 4%. Dadurch

kam es häufig zu Pankreasfisteln mit septischen Komplikationen,

die ursächlich für die hohe postoperative Morbidität

und Letalität waren. Deshalb sollten die linksseitige Pankreasresektion

und/oder die Splenektomie nach Möglichkeit vermieden

werden. In der deutschen Studie fand sich keine erhöhte postoperative

Komplikationsrate nach erweiterter LA (Siewert et al.

1998). Auch in einer neueren, randomisierten Studie, welche

die D1-LA mit einer »modifizierten« D2-LA verglich (keine

Splenektomie oder Pankreaslinksresektion), fand sich ebenfalls

keine erhöhte Morbidität oder Letalität (Edwards et al. 2004).

Ferner scheint der Trainingsstandard der operierenden Chirurgen

für dieses Operationsverfahren nicht ausreichend ge wesen

zu sein. In der britischen Studie wurden 200 D2-Lymphadenektomien

in 31 Zentren durchgeführt, dies sind durchschnittlich 6

D2-LA pro Zentrum in 7 Jahren, d. h. nicht einmal eine pro Jahr.

In der niederländische Studie wurden 331 D2-LA von 82 Chirurgen

in 51 Zentren durchgeführt. Dies sind 4 Operationen pro

Chirurg in 4 Jahren.

Die Quantität der LA lässt sich an der Zahl der entfernten LK

ablesen. Entsprechend den Vorgaben der Japanese Gastric Cancer

Association (1981 und 1998) und aufgrund der Ergebnisse

der deutschen Studie sollten mindestens 25 LK entfernt werden,

um das Ziel der D2-Dissektion zu sichern (Japanese Gastric Cancer

Association 1998; Siewert et al. 1998). Die mediane Anzahl

der entfernten LK betrug im MRC-Trial nach D1-Resektion aber

nur 13, nach D2 Resektion auch nur 17 LK. Von den 375 Patienten

(von 400 Studienpatienten), bei denen Informationen zur LA

erhältlich waren, waren bei 310 (165 nach D1- und 145 nach D2-

LA) weniger als 26 LK entfernt worden, nur bei 65 Patienten

mehr als 26 (19 Patienten D1- und 46 D2-LA). Damit wurde nur

bei 23% der Patienten das eigentliche Studienziel der D2-LA erreicht

(Cuschieri et al. 1999).

In der niederländischen Studie wird dieses Problem mit

»non-compliance« (inadäquate Dissektion) und »contamination«

(Entfernung von offensichtlich befallenen LK außerhalb des vorgegebenen

LA-Levels) erklärt. Wenn man die Daten zusammenfasst

zeigt sich, dass nur bei 49% der niederländischen Patienten

das Ziel der D2-LA erreicht wurde (Bonenkamp et al. 1998). In

einer früheren Untersuchung der gleichen Arbeitsgruppe fand

sich »non-compliance« bei der D2-Dissektion zu 84% und »contamination

« innerhalb der D1-Gruppe zu 48%. Dieses würde

eher einer gemischten D1-/D2-Dissektion entsprechen (Bunt et

al. 1994).

Tabelle 37.9. Vergleich der Morbidität und Mortalität der D2-Lymphadenektomie vs. D1-Lymphadenektomie in ausgewählten (n>200),

nichtrandomisierten Studien

Autor Jahr Patienten

(n)

Morbidität

[%]

Mortalität

[%]

D1 D2 D1 D2 D1 D2

Pacelli et al. 1993 163 157 22 28 7,4 3,8

Roder et al. 1993 558 1096 29 31 5,5 5

Gall u. Hermanek 1993 383 162 32 31 6,8 9,3

Gesamt 1104 1415 29 31 6 5,3*

* Nicht signifikant.

Tabelle 37.10. Morbidität und Mortalität der D2-LA vs. D1-LA in prospektiv randomisierten Studien

Autor Jahr Patienten

(n)

Morbidität

[%]

Mortalität

[%]

5-Jahres-Überlebensrate

[%]

D1 D2 D1 D2 D1 D2 D1 D2

Dent et al. 1988 22 32 15 30 0 0 Keine Angabe

Bonenkamp et al. 1999 380 331 25 43 4 10 45 47

Cuschieri et al. 1999 200 200 28 46 6,5 13 35 33

Gesamt 602 552 26 44 4,7 10,5* 41,5 42

* Statistisch signifikant.

465 37

Entscheidend aber ist die Frage, ob durch die radikalere D2-

LA eine Prognoseverbesserung für den einzelnen Patienten erreicht

werden kann oder ob durch die erweiterte Resektion unnötigerweise

die postoperative Morbidität und Mortalität erhöht

wird. Nach D2-Lymphadenektomie findet sich in der deutschen

Magenkarzinomstudie ein signifikanter Überlebensvorteil für Patienten

in den Tumorstadien II und IIIA. Diese Vorteile zeigen

sich nicht, wenn das Gesamtkollektiv nach kompletter Resektion

analysiert wird (Siewert et al. 1998; Abb. 37.15, 37.16). Neben

dem Argument der nicht gerechtfertigten Subgruppenanalyse,

war ein Hauptargument gegen dieses Ergebnis, dass es sich um

das rein statistisches Phänomen der »stage migration« (Will-

Rogers-Phänomen) handeln könnte (Feinstein et al. 1985). In

einer weiteren Analyse des Kollektivs der deutschen Magenkarzinomstudie

zeigt sich jedoch, dass sich ab 25 entfernten LK die

Zahl der metastatisch befallenen LK und damit das Tumorstadium

nicht mehr ändert. Damit müssen für eine suffiziente D2-

Resektion mindestens 25 LK entfernt werden um eine »stage

Abb. 37.14. Absetzen des Duodenums

über dem TA55-Stapler und

Beginn der Lymphadenektomie

37.5 · Operationstechnik

0

0

Kumulatives Überleben

Zeit [Monate]

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

24 48 72 96 120

<15 (n = 174)

16-25 (n = 205)

>25 (n = 803)

Anzahl der entf. LN

Abb. 37.15. 10-Jahres-Überleben nach R0-Resektion aller komplett

resezierten Patienten (n=1182, Daten der deutschen Magenkarzinomstudie).

Im Gesamtkollektiv werden Unterschiede zwischen der eingeschränkten

(D1, <25 resezierte LK) zur erweiterten Lymphadenektomie

(D2, >25 resezierte LK) nicht evident

0

0

Kumulatives Überleben

Zeit [Monate]

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

24 48 72 96 120

<15 (n = 38)

p < 0,001

16-25 (n = 38)

>25 (n = 129)

Anzahl der entf. LN

Abb. 37.16. 10-Jahres-Überleben nach R0-Resektion im Stadium II

(n=205, Daten der deutschen Magenkarzinomstudie), signifikant unterschiedliches

Überleben nach D1- vs. D2-Lymphadenektomie

466 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

migration« ausschließen zu können; dies entspricht auch den japanischen

Regeln und wird zudem durch anatomische Studien

unterstützt (Wagner et al. 1991). Die UICC legt die Mindestzahl

zu entfernender LK bei 15 fest, um ein zuverlässiges Staging zu

erreichen.

In den 11-Jahres-Überlebensdaten der niederländischen Studie

findet sich ebenfalls kein Überlebensvorteil für das Gesamtkollektiv

(Hartgrink et al. 2004). Wenn jedoch die postoperativen

Todesfälle ausgeschlossen werden, findet sich ein deutlicher

Trend (p=0,1) für einen Überlebensvorteil der D2-LA . Wenn die

einzelnen Stadien getrennt betrachtet werden, finden sich Überlebensvorteile

nach D2-LA (Stadium II 23 vs. 37%, Stadium IIIA

4 vs. 22%), wegen der kleinen Gruppengröße sind sie jedoch statistisch

nicht signifikant. Werden Patienten mit Splenektomie

und Pankreaslinksresektion von der Analyse ausgeschlossen,

werden die Vorteile der D2-LA in den genannten Stadien signifikant.

In der MRC-Studie ist die Partiengruppe, die ausreichend

lymphadenektomiert wurde, zu klein, um eine aussagekräftige

Subgruppenanalyse durchführen zu können (Sendler et

al. 2002).

Es ist demnach belegt, dass es eine Gruppe von Patienten

gibt, die von der erweiterten D2-LA mit einem signifikanten

Überlebensvorteil profitieren. Dies sind v. a. die Patienten mit

einer in der Routinepathologie nicht erkennbaren oder gerade

begon nenen Lymphknotenmetastasierung. Grund für den Erfolg

der erweiterten D2-LA ist die inzwischen gut belegte Mikrometastasierung

in Lymphknoten, die inzwischen auch für

das Kompartiment 3 nachgewiesen wurde (Natsugoe et al.

1999; Siewert et al. 1996). Damit wird deutlich, dass bei proximalen

und distalen Tumoren ebenfalls das 3. Kompartiment

bei kurativer Intention lymphadenektomiert werden sollte.

Diese D3-LA ist bei genügender Erfahrung ohne zusätzliche

Morbidität durchführbar, wie japanische Studien und auch

eine aktuelle deutsche Analyse aufzeigen (Adachi et al. 1997;

Bittdorf et al. 2002). Auch die Richt linien des National Comprehensive

Cancer Network der USA fordern inzwischen die

D2-LA bei Magenkarzinomen ab dem Stadium Ib (http://www.

nccn.org).

Ein interessanter Aspekt der Intergroup/SWOG-Studie zur

adjuvanten Radio-/Chemo-Therapie ( s. unten) ist, dass durch

diese Studie die Wertigkeit der erweiterten LA in einer Analyse

von Hundahl et al. (2002) weiter untermauert worden ist. Die

Autoren berechneten die befallenen LK mit dem Maruyama-Programm

und konnten so zeigen, dass die Mehrzahl der Studienpatienten

nicht adäquat lymphadenektomiert worden ist. Dies

resultierte in einem signifikant schlechteren Überleben der Patienten

mit einem hohen sog. Maruyama-Index und eingeschränkter

Lymphadenektomie.

Die Bedeutung der Dissektion des Sentinel-Lymphknotens

(SLND) für das Magenkarzinom wird in Kap. 15 besprochen.

37.5.2 Pankreaslinksresektion und Splenektomie

Ausgehend von der Empfehlungen der Japanese Research Society

for the Study of Gastric Cancer (JRSGC) wurde lange Zeit im

Rahmen der D2-LA eine Pankreaslinksresektion mit Splenektomie

»en principe« propagiert. Die Resektion von Pankreasschwanz

und/oder Milz ist jedoch die wichtigste Ursache für erhöhte

postoperative Morbidität und Mortalität (Kitamura et al.

1999; Kodera et al. 1997). Auch die Ergebnisse der beiden randomisierten

Studien haben eindeutig aufgezeigt, dass die Pankreaslinksresektion

und auch die alleinige Splenektomie eigenständige

negativer Prognosefaktoren sind (Cuschieri et al. 1999; Sasako

1997).

Aus den Ergebnissen der zitierten Studien geht eindeutig

hervor, dass zumindest eine Pankreaslinksresektion bei der

Gastrektomie – außer bei direkter Infiltration des Tumors –

zu vermeiden ist.

Es bleibt die Frage, ob im Rahmen der D2-LA die Milz mit entfernt

werden sollte. Das Argument für die Splenektomie ist die

Inzidenz von Lymphknotenmetastasen entlang der peripheren

A. lienalis und im Milzhilus. In der MRC-Studie waren diese LK

befallen bei 25% der Patienten mit im mittleren und proximalen

Magendrittel lokalisierten Karzinomen [LK-Stationen 10 (Milzhilus)

und 11 (A. lienalis)]. Außer in randomisierten Studien

wurde auch durch mehrere retrospektive Analysen belegt, dass

die Splenektomie die Prognose nicht verbessert (Lee et al. 2001;

Maehara et al. 1991). In einer britischen und einer amerikanischen

Analyse fand sich wie im MRC-Trial ein negativer Einfluss

der Splenektomie auf das Überleben (Griffith et al. 1995; Wanebo

et al. 1997). Erklärt wird dieser negative Effekt durch die erhöhte

postoperative Morbidität (die Splenektomie ist ein unabhängiger

negativer Prognosefaktor) und Letalität sowie durch unspezifische

Effekte auf die humorale Immunantwort; so ist die T-Zell-

Funktion nach Splenektomie signifikant vermindert (Okuno et

al. 1999).

Andererseits können die LK an der A. lienalis unter Erhalt

von Pankreas und Milz mit entsprechender Erfahrung disseziert

werden, bei LK im Milzhilus ist dies allerdings schwierig. Mönig

et al. (2001) untersuchten bei 112 Patienten mit proximalen Magenkarzinomen

die Inzidenz der LK-Metastasen im Milzhilus:

Die Inzidenz betrug 9,8%, diese fanden sich jedoch nur bei lokal

fortgeschrittenen Tumoren (Stadium IIIb/IV).

Aus den genannten Fakten ergibt sich, dass die Splenektomie

»en principe« bei der Gastrektomie mit D2-Lymphadenektomie

nicht empfehlenswert ist. Es scheint, dass durch die erhöhte Morbidität

und durch die verminderte humorale Immunität mögliche

Vorteile im Überleben der Patienten, durch die verbesserte

Lymphadenektomie, konterkariert werden.

Die Splenektomie sollte nur »de necessitate« durchgeführt

werden, d. h. bei direkter Ausdehnung der Tumors auf Milz

bzw. Pankreas oder bei eindeutig befallenen LK im Milzhilus.

Dabei sollte die Technik der »pancreas preserving splenectomy

« angewandt werden (Furukawa et al. 2000; Maruyama et

al. 1995).

37.5.3 Subtotale Gastrektomie

Das Ausmaß der Resektion bei der subtotalen Gastrektomie umfasst

ungefähr 80% des gesamten Magens. Die Resektion an der

kleinen Kurvatur sollte mindestens bis 2 cm unterhalb der anatomischen

Kardia reichen. Die Resektion an der großen Kurvatur

muss über die rechte gastroepiploischen Arterie hinaus ausge467

37

führt werden. Der verbleibende kleine Fundus wird durch die

Aa. gastricae brevis des Milzhilus versorgt.

Nach aboral muss die Resektion so weit als möglich über den

Pylorus hinaus ausgeführt werden. Auf jeden Fall sollte die

Dissektion des Duodenums bis hinter die Grenze der A. gastroduodenalis,

d. h. bis in das extraperitoneale Duodenum hin

durchgeführt werden.

Der Duodenalstumpf wird mit einen Stapler verschlossen. Der

Verschluss des verbleibenden proximalen Magens sollte während

der Operation ebenfalls durch einen Stapler erfolgen.

Dieses verhindert eine Kontamination des Operationssitus

( Abb. 37.14).

Die extraluminale Resektion und die LA müssen genau so radikal

sein wie bei der totalen Gastrektomie. Die D2-LA wird mit

Ausnahme der LK-Station 2 (links der Kardia) vollständig durchgeführt.

An der kleinen Kurvatur muss die LK-Station 1 ebenfalls

mit disseziert werden. Um die LA in der korrekten Schicht (d. h.

Adventitia der Arterien) durchführen zu können, sollte die Dissektion

entlang der A. gastroduodenalis begonnen werden. Diese

wurde bereits vor dem Verschluss des Duodenalstumpfes

aufgesucht und markiert.

Von dieser Position aus ist es einfach, die korrekte Dissektionsschicht

auf der A. hepatica communis zu finden. Dies ist der Beginn

der Lymphadenektomie. Zur Peripherie hin sollte die LA bis

zur Bifurkation der A. hepatica durchgeführt werden. Die A. gastrica

dextra wird an ihrem Ursprung ligiert.

Zusätzlich zu der LA der Kompartimente 1 und 2 wird beim distalen

Magenkarzinom die LA der LK-Station 13 und der rechten

paraaortalen und parakavalen LK (LK-Station 16) durchgeführt.

Dies erfordert eine suffiziente Mobilisation des Duodenums nach

Kocher. Bei distalen Magenkarzinomen repräsentiert die LK-Station

13 den Grenzlymphknoten. Dieser LK wird aufgesucht, disseziert,

markiert und durch das Foramen Winslowi hinter dem

Lig. hepatoduodenale durchgeschoben. Der linke Zeigefinger

des Chirurgen wird in das Foramen Winslowi eingeführt, um die

V. portae kopfwärts und anterior zum Operateur zu exponieren.

Daraufhin kann die weitere LA auf der Adventitia der V. portae

und der A. hepatica communis durchgeführt werden. Am medianen

Resektionsrand wird die V. gastrica sinistra (V. coronaria

ventriculi) ligiert. Gleiches geschieht mit der A. gastrica sinistra,

die an ihrem Ursprung radikulär abgesetzt wird.

Die Dissektion im Retroperitonealraum wird weiterhin bis zu

den Crura diaphragmaticae durchgeführt. Dabei werden die linken

und die rechten Aa. phrenicae ligiert. Nach Durchtrennung

des N. vagus kann das gesamte Lymph- und Fettgewebe nach

aboral gehoben werden.

Die weitere Dissektion entlang der kleinen Kurvatur wird entsprechend

der Vagotomie durchgeführt: Die anterioren und

posterioren Blätter des Lig. hepatogastricum werden Schritt

für Schritt geteilt. Dies erlaubt die komplette Resektion der LK

entlang der kleinen Kurvatur. Die Resektion der LK-Station 11

wird am Oberrand des Pankreas hin zum Milzhilus durchgeführt.

Cave

Die Resektion der LK-Station 11 muss mit großer Vorsicht

durchgeführt werden, da eine akzidentelle Splenektomie die

Blutversorgung des Magenstumpfes kompromittieren würde.

Die Resektion des großen Netzes ist obligatorisch. Die Operationsschritte

bei der LA sind in Abb. 37.17 schematisch dargestellt.

Vor der Rekonstruktion der Intestinalpassage werden die kleine

Kurvatur des Magenstumpfes und die Resektionslinie mit Ein zelknopfnähten

übernäht. Nur ein kleiner Abschnitt der Resek tionslinie

hin zur großen Kurvatur wird für die Anastomose benötigt.

Die Rekonstruktion kann mit einer retro- oder antekolischen

Jejunalschlinge geschehen. Die Gastroenterostomie sollte in

a b

c d

e

f g

Abb. 37.17a–g. Lymphadenektomie bei der totalen Gastrektomie

37.5 · Operationstechnik


468 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

isoperistaltischer Richtung ausgeführt werden. Analysen der

Lebensqualität nach totaler und subtotaler Gastrektomie haben

gezeigt, dass ein alkalischer Reflux eine häufige Folge der Endzu-

Seit-Gastrojejunostomie ist (trotz Braun-Enteroanastomose!;

Roder et al. 1996). Es ist deshalb die Rekonstruktion nach Roux-Y

zu empfehlen.

37.5.4 Totale Gastrektomie

Die totale Gastrektomie wird generell mit der systematischen LA

der Kompartimente 1 und 2 durchgeführt. Je nach Lage des Tumors

kann eine Ausweitung der LA indiziert sein.

Nach Analyse der Lebensqualität nach totalen Gastrektomie

empfehlen wir die Rekonstruktion mit einem Pouch. Da die deutlichen

Vorteile der Pouch-Rekonstruktion nur bei Langzeitüberlebenden

signifikant sind, muss die Prognose des Patienten bei

der Rekonstruktion mit in Betracht gezogen werden. Wenn sie

gut ist, empfehlen wir den Pouch, bei schlechter Prognose sollte

die einfachste Rekonstruktion (Ösophagojejunostomie Roux-Y)

durchgeführt werden.

Zum Bilden eines Pouches ist die Seit-zu-Seit-Anastomose über

eine Strecke von ca. 10–15 cm zwischen aufsteigendem und absteigendem

Schenkel der ersten Jejunalschlinge gewöhnlich

ausreichend (Hunt-Rodino-Pouch).

Dem Pouch kann eine Jejunoplicatio hinzugefügt werden

(Siewert et al. 1973; Siewert u. Schattenmann 1979). Es ist empfehlenswert,

eine Roux-Y-Aufteilung zum Pouch vorzunehmen,

um alkalischen Reflux in den Pouch und den distalen Ösophagus

zu vermeiden (Chin u. Espat 2003; Abb. 37.18).

Die ösophagointestinale Anastomose wird mit einem Stapler

(CEA) durchgeführt. In kontrollierten Studien hat sich dieser Typ

der Rekonstruktion der manuellen Anastomose als überlegen

gezeigt (Siewert u. Böttcher 1992).

37.5.5 Erweiterte Gastrektomie

Die Gastrektomie kann folgendermaßen erweitert werden:

▬ oralwärts zum distalen Ösophagus,

▬ mit einer Splenektomie, die eine komplette Dissektion der

LK-Stationen 10 und 11 (»pancreas preserving splenectomy«)

einschließt und

▬ zur rechten Seite mit einer Resektion des Pankreaskopfes.

Oral erweiterte totale Gastrektomie

Das Ausmaß der Resektion des distalen Ösophagus hängt von der

individuellen Lage des Tumors ab. Eine unabdingbare Voraussetzung

für die Resektion des distalen Ösophagus ist eine weite

Öffnung des Hiatus ösophageus, die den Weg in das hintere Mediastinum

freigibt. Dieser Zugang erlaubt eine ungehinderte Dissektion

des distalen Ösophagus einschließlich des umgebenden

Lymph- und Fettgewebes und der periösophagealen LK (transhiatale,

partielle Ösophagektomie).

Die weite Öffnung des Hiatus erlaubt die übersichtliche Resektion

des Ösophagus fast bis zur Ebene der V. azygos. Nach Festlegung

der Resektionsränder, wenn nötig mit Hilfe von Schnellschnitten,

wird der Ösophagus abgesetzt.

Vor jeder weiteren Manipulation wird der Kopf des CEA in den

oralen Teil des Ösophagus eingebracht und befestigt.

Vom technischen und funktionelle Gesichtspunkt aus ist

in dieser Situation (intramediastinale Anastomose) die

Rekonstruk tion mit einem Pouch nicht sinnvoll: Er würde

partiell im Thorax liegen und könnte nicht als Reservoir funktionieren.

Die Rekonstruktion geschieht durch eine Endzu-

Seit-Ösophagojejunostomie und eine distale End-zu-Seit-

Einpflanzung der zuführenden Schlinge in der Roux-YTechnik.

Der Abstand zwischen der ösophagointestinalen Anastomose

und der End-zu-Seit-Anastomose sollte mindestens 40–50 cm

betragen. Die Anastomose zwischen dem Ösophagus wird in

der »Krückstock-Technik« durchgeführt. Der CEA wird durch den

eröffneten Jejunumschenkel eingeführt, der Dorn wird durch

die Darmwand durchgeführt und dann mit dem Kopf des Staplers

verbunden.

Eine ausreichende Blutversorgung der Jejunalschlinge ist essentiell

für eine sichere Anastomose. Um die Blutversorgung

sicherzustellen, ist es notwendig, die Gefäßversorgung des

Jejunums mit Hilfe der Diaphanoskopie zu beurteilen, und da-


Abb. 37.18. Rekonstruktion der Intestinalpassage mittels Pouch:

Ösophagojejunoplikatio mit Roux-Y-Ableitung

469 37

nach eine geeignete Schlinge auszusuchen. Unter diesen

Umständen ist die Anastomoseninsuffizienz eine sehr seltene

Komplikation.

Der noch offene Teil der interponierten Jejunumschlinge wird

mit einem Linear-Stapler (TEA) verschlossen und übernäht.

Links erweiterte Gastrektomie

Cave

Die einzige Indikation zur Resektion des Pankreasschwanzes

ist der direkte Einbruch eines Tumors der hinteren Magenwand

in das Pankreas. In allen anderen Situationen sollte die

»pancreas-preserving-splenectomy« durchgeführt werden.

Bei diesem Vorgehen wird die A. lienalis 2–3 cm peripher des

Truncus coeliacus und die V. lienalis im Milzhilus isoliert ligiert.

Das gesamte vaskuläre und lymphatische Bündel kann dann

vom Oberrand des Pankreas disseziert werden ( Abb. 37.19).

Die Blutversorgung des Pankreasschwanzes wird durch retropankreatische

und intrapankreatische Gefäße sicher gestellt.

Die Dissektion wird bis zum Milzhilus fortgeführt

und mit der Splenektomie abgeschlossen. Lymphgefäße

und Milz werden en-bloc mit dem Magenresektat entfernt.

Am Ende dieser Dissektion kann der Schwanz des Pankreas

mobilisiert und nach rechts rotiert werden. Dies erlaubt die Entfernung

der links paraaortal gelegenen LK im retroperitonealen

Dreieck zwischen Aorta, linken Nierenhilus, linke Nebenniere

und Zwerchfell. In diesem Zusammenhang kann ebenfalls die

linke Nebenniere mit entfernt werden.

Die Rekonstruktion nach dieser Resektion entspricht der der

totalen Gastrektomie.

Left upper abdominal evisceration

Diese Operation entspricht der links erweiterten Gastrektomie

und schließt eine linksseitige Pankreatektomie und manchmal

die Resektion der linken Kolonflexur mit ein. Auf jeden Fall muss

eine linksseitige Adrenalektomie durchgeführt werden.

Cave

Diese Operation ist nur vertretbar, wenn dadurch eine

R0-Resektion erreicht werden kann.

Rechtsseitig erweiterte Gastrektomie

Die Pankreaskopfresektion als eine Erweiterung der totalen

und subtotalen Gastrektomie ist selten indiziert. Falls sich in

diesem Gebiet Lymphknotenmetastasen entwickelt haben oder

der Tumor direkt in den Pankreaskopf eingebrochen ist, wird

die Prognose des Patienten durch diese Operation kaum verbessert.

Cave

Diese Operation ist nur dann indiziert, wenn eine R0-Resektion

erreicht werden kann, für ein palliatives Vorgehen birgt

sie zu viele Risiken.

Die Technik entspricht weitestgehend der Operation nach Kausch-

Whipple.

37.6 Morbidität und Mortalität

37.6.1 Frühkomplikationen

Eine typische frühe Komplikation ist die Anastomoseninsuffizienz.

Dabei ist eine Leckage der ösophagointestinalen Anastomose

gefährlicher als die der Gastroenterostomie. Insuffizienzen

des Duodenalstumpfes sind in der Magentumorchirurgie eher

selten. Die LA kann zu lymphatischen Fisteln und Lymphozelen

führen oder zu einer pankreatischen Fisteln, wenn die Kapsel des

Pankreas verletzt worden ist. Alle diese Komplikationen können

zu einer Infektion des Operationssitus führen und müssen als

septische Komplikationen angesehen werden. Revisionsoperationen

sind trotzdem selten notwendig. Um die Komplikation zu

beherrschen, ist meistens ist die adäquate Drainage ausreichend.

Flüssigkeitsansammlungen können sicher durch die CT lokalisiert

und drainiert werden. In seltenen Fällen kann jedoch ein

septischer Fokus zu einer Arrosion der großen Gefäße und zu

einer Blutung führen, dann muss sofort revidiert werden. Die

Mortalität der beschriebenen Operationen beim Magenkarzinom

ist in spezialisierten Zentren weit unter 5% und korreliert mit

dem Ausmaß der Resektion ( Tabelle 37.11).

Für die D2-LA bedarf es einer besonderen chirurgischen

Expertise. Sie sollte deshalb nur in erfahrenen Kliniken (»highvolume

hospital«) durchgeführt werden. Der Allgemeinzustand

des Patienten und das Ausmaß der Erfahrung des Krankenhauses

(nicht allein die des Chirurgen, sondern auch seines Umfeldes,

wie z. B. interventionelle Radiologie oder intensivmedizinische

Kapazitäten) sind ganz entscheidende Faktoren im postoperativen

Verlauf ( Abb. 37.20, Tabelle 37.12, 37.13), was durch aktuelle

epidemiologische Studien aus den USA weiter untermauert

wird ( s. Abschn. 37.1.4).

Abb. 37.19. Links erweiterte Gastrektomie: »pancreas preserving

splenectomy«

37.6 · Morbidität und Mortalität

470 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

37.6.2 Spätkomplikationen

Seit Einführung der Roux-Y-Rekonstruktionstechnik mit Ableitung

des Duodenalinhaltes ist die alkalische Refluxösophagitis als

Spätkomplikation der Gastrektomie verschwunden. Das Dumping-

Syndrom scheint nach totaler Gastrektomie seltener zu sein

als nach subtotaler, es kann sehr belastend sein, die Symptome

lassen sich doch fast immer konservativ beherrschen. Die Rolle

der Nahrungspassage durch das Duodenum ist nach wie vor kontrovers:

Nach Labordaten hat die Duodenalpassage der Nahrung

theoretische Vorteile (verbesserte Resorption von Glukose, Eisen

und Kalzium), die jedoch nicht unbedingt zu einer verbesserten

Lebensqualität führen und deshalb von umstrittener klinischer

Relevanz sind. Evidenzbasierte Studien, welche die verschie denen

Verfahren der Rekonstruktion miteinander an genügend großen

Kollektiven vergleichen, finden sich nicht (Chin u. Espat 2003).

Die Notwendigkeit kleiner Mahlzeiten nach Gastrektomie

kann deutlich durch die Konstruktion eines Pouches verringert

werden. Dieses führt meistens dazu, dass der Patient eine normale

Mahlzeitenfolge einnehmen kann. Die Gastrektomie wird immer

von einer pankreatointestinalen Asynchronie gefolgt sein,

was zu Resorptionsstörungen führen kann. Deshalb empfehlen

wir die Substitution von Pankreasenzymen nach Gastrektomie.

Die Vitamin-B12-Substitutionsbehandlung ist nach Gastrektomie

selbstverständlich.

Die Analyse der Lebensqualität nach Gastrektomie hat gezeigt,

dass sich die meisten Patienten sehr gut an die veränderte

Situation anpassen. ihr Körpergewicht bleibt jedoch gewöhnlich

immer 10–15% unter dem Idealgewicht. Unter den Patienten

nach Gastrektomie haben die mit einer Pouch-Rekonstruktion

die beste Lebensqualität. Diese werden von den Patienten mit

einer subtotalen Gastrektomie gefolgt. Am schlechtesten ist die

Lebensqualität nach einfacher Ösophagojejunostomie und Roux-

Y-Situation, besonders wenn die Anastomose im Thorax liegt.

Postoperative Komplikationen haben auch prognostische

Wirkung. Multivariate Analysen haben gezeigt, dass sie einen

direkten, unabhängigen, negativen Einfluss auf das Langzeit-

Tabelle 37.11. Morbidität und Mortalität nach Gastrektomie

in Abhängigkeit vom Resektionsausmaß

Resektionsausmaß

Insuffizienzen

[%]

Abszesse

[%]

Komplikationsrate

[%]

Mortalität

[%]

Subtotale Gastrektomie

GGCS

(n=382)

2,9 1,6 19,9 6

NSCT

(n=282)

– – 30,1 11

TU München

(n=188)

1,1 2,7 17,5 4,2

Totale Gastrektomie

GGCS

(n=787)

7,2 5,5 30 4,4

NSCT

(n=350)

– – 38,3 7,7

TU München

(n=307)

4,8 3,8 22,8 5,2

Erweiterte Gastrektomie

GGCS

(n=389)

12,3 4,9 38 5,7

TU München

(n=188)

7,8 7,5 32,9 6,9

Tabelle 37.12. Unabhängige Risikofaktoren (Morbidität)

nach Gastrektomie. (Daten der German Gastric Cancer Study,

Böttcher et al. 1994)

Faktor χ2 p

Begleiterkrankungen 26,74 0,0001

Resektionsausmaß 24,85 0,0001

Erfahrung der Klinik 20,08 0,0001

Alter des Patienten 4,58 0,032

Stratifizierung des Risikos nach dem χ2-Test.

Tabelle 37.13. Unabhängige Risikofaktoren (Mortalität)

nach Gastrektomie. (Daten der German Gastric Cancer Study)

Faktor χ2 p

Karnofsky-Index 32,06 0,0001

Begleiterkrankungen 26,74 0,0001

Lymphknotenfiliae 11,16 0,001

Tumordurchmesser 10,96 0,001

Erfahrung der Klinik 10,45 0,001

Alter des Patienten 4,97 0,026

0

0

Kumulatives Überleben

Zeit [Monate]

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

12 24 36 48 60

TUM (n = 100)

p < 0,05

GGCS (n = 202)

Abb. 37.20. Vergleich der 10-Jahres-Überlebensrate nach Gastrektomie

und erweiterter LK-Dissektion im Stadium II zwischen uni- und

mulitzentrischen Studien (TU München vs. GGCS deutsche Magenkarzinomstudie,

ohne Klinikum rechts der Isar)

471 37

überleben der Patienten mit Magenkarzinom haben (Siewert et

al. 1998). Dieses kann nicht nur durch die höhere postoperative

Mortalität erklärt werden, sondern wohl auch durch eine Modulation

des Immunsystems. Der Karnofsky-Index und die Erfahrung

des Chirurgen und seiner Klinik sind in multivariaten Analyse

als unabhängige Risikofaktoren für postoperative Morbidität

und Mortalität identifiziert worden (Siewert u. Sendler 1999).

37.7 Ergebnisse der Chirurgie

Die 5-Jahres-Überlebenskurven zeigen deutliche Unterschiede

zwischen Japan und der westlichen Hemisphäre, vor allen Dingen

für Patienten im Stadium II und IIIA ( Tabelle 37.14). Während

die 5-Jahres-Überlebensraten für Patienten mit Stadium II oder

IIIA in den Vereinigten Staaten bei 30 und 15% liegen, liegen sie

in Deutschland bei 45 und 33% und in Japan bei 75 und 60%.

Durch eine unterschiedliche Epidemiologie allein können diese

Unterschiede nicht erklärt werden.

Deshalb werden die längeren Überlebenszeiten in Deutschland

im Vergleich zu den Vereinigten Staaten durch den radikaleren

chirurgischen Ansatz und v. a. durch die adäquate Lymphadenektomie,

die routinemäßig in den meisten deutschen Zentren

durchgeführt wird, erklärt.

Die Differenzen zwischen den japanischen Ergebnissen, denen

aus Nordamerika und Deutschland resultieren möglicherweise

im noch radikaleren chirurgischen Ansatz in der Magenkarzinomchirurgie

in Fernost (Nishi et al. 1993; Roder et al. 1993;

Wanebo et al. 1993). In diesem Fall müssen jedoch auch epidemiologische

und andere Faktoren in Betracht gezogen werden.

Die Verteilung der Tumorlokalisation, das Alter der Patienten

und die Wachstumsform der Tumoren differieren deutlich in den

japanischen und westlichen Untersuchungen. Weiterhin ist die

postoperative Chemotherapie ein Standardverfahren in Japan bei

Patienten im Stadium II und III. Auch zeigen die Überlebenskurven

von japanischen Zentren üblicherweise nur tumorbezogen

Verstorbene, die postoperative Mortalität oder das Versterben

aus anderen Gründen wird nicht eingeschlossen. Dies ist im deutlichen

Kontrast zu in westlichen Zentren erstellten Überlebenskurven,

die alle Verstorbenen in der Follow-up-Periode registrieren

(so verstarben beispielsweise 31% der Patienten der niederländischen

Studie nicht tumorbezogen). Die genannten Faktoren

verbieten einen generellen Vergleich zwischen den verschiedenen

Ländern. Interessant ist aber, dass nach Korrektur der epidemiologischen

Unterschiede in Subgruppen die Prognose von Patienten

mit Magenkarzinom in Japan und Deutschland direkt vergleichbar

ist (Bollschweiler et al. 1993).

37.8 Neoadjuvante Therapie bzw. adjuvante

und palliative Therapieprinzipien

Entgegen früheren Annahmen gilt das Magenkarzinom heute als

chemosensitive Erkrankung. Heilung ist durch Chemotherapie

allein allerdings nicht zu erzielen. Remissionsraten, bestimmt in

Phase-II- und Phase-III-Studien bei fortgeschrittener Erkrankung,

liegen mit modernen Therapieregimes bei ca. 40% (Ajani

2003; Webb 1997). Die Überlegenheit einer systemischen Chemotherapie

gegenüber einer rein supportiven Therapie beim

fortgeschrittenen Magenkarzinom konnte bereits im Laufe der

90er-Jahre eindeutig belegt werden (Glimelius et al. 1997; Murad

et al.1993; Pyrhonen et al. 1995). Die randomisierten Studien

weisen zwar eine limitierte Fallzahl auf, sind aber im Ergebnis

konsistent. Glimelius et al. (1997) wiesen neben längeren Überlebenszeiten

auch eine bessere Lebensqualität nach.

Angesichts der effektiveren Möglichkeiten einer systemischen

Therapie liegt es nahe, dass neoadjuvante oder adjuvante

Chemotherapie auch zu einer Steigerung der Heilungsraten nach

chirurgischer Resektion bei lokal begrenzter Erkrankung führen

könnte.

37.8.1 Postoperative adjuvante Therapieverfahren

Bis heute ist der Stellenwert einer postoperativen Zusatztherapie

nicht gesichert. Ein wesentlicher Grund für die widersprüchlichen

Behandlungsergebnisse ist die Tatsache, dass in vielen Studien

Patienten mit kompletten und inkompletten Resektionen

eingeschlossen worden sind; die Behandlungsergebnisse wurden

nicht getrennt analysiert. Die korrekte Definition einer postoperativen

adjuvanten Therapie trifft jedoch nur nach R0-Resektion

zu.

Tabelle 37.14. Stadienspezifisches Überleben nach Gastrektomie. (Daten der German Gastric Cancer Study, des Patient Care Report der

American Surgical Society und des National Cancer Center Tokyo)

UICC-Stadium Medianes Überleben

(Monate)

Kumulative 5-Jahres-Überlebensrate

USA

(n=6525)

Deutschland

(n=1654)

Japan

(n=1679)

USA

(n=6525)

Deutschland

(n=1654)

Japan

(n=1679)

Ia – – – 60 85 96

IB 48 – – 45 70 94

II 23 36 – 28 45 87

IIIA 15 19 – 15 30 60

IIIB 13 12 48 10 18 40

IV 9 9 12 5 10 10

37.8 · Neoadjuvante Therapie bzw. adjuvante und palliative Therapieprinzipien

472 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Erwogen wird die postoperative Therapie in erster Linie bei

Patienten mit lokal fortgeschrittenen Primärtumoren (pT3 und

pT4). Darüber hinaus sind auch Patienten der Primärtumorkategorie

pT2 in Arealen ohne Serosa (pT2b-Kategorie) für eine Zusatzbehandlung

im Rahmen von Studien geeignet, da sie eine den

Patienten mit pT3-Tumoren vergleichbar schlechte Prognose

haben. Lymphknotenmetastasen sind ein Indikator für ein erheblich

erhöhtes Rezidivrisiko, besonders wenn der Quotient

aus befallenen und resezierten LK über 0,2 (entsprechend 20%)

liegt.

37.8.2 Adjuvante Chemotherapie

In einer jüngst publizierten Metaanalyse über 21 Studien zum

Stellenwert einer adjuvanten systemischen Therapie des Magenkarzinoms

zeigte sich ein Überlebensvorteil für behandelte Patienten.

Wie in anderen Analysen zeigte sich dieser allerdings

beschränkt auf asiatische Studien. Die Autoren der Metaanalyse

schlussfolgern deshalb, dass eine adjuvante Chemotherapie nicht

als Routine außerhalb klinischer Studien empfohlen werden kann

(Hermans et al. 1993; Janunger et al. 2002). Zwei andere Metaanalysen,

die in der westlichen Welt durchgeführt wurden, zeigten

geringe, wenngleich signifikante Vorteile für adjuvante Chemotherapie

(Earle et al. 1999; Mari et al. 2000). Bekanntermaßen

sollten aus Metaanalysen aufgrund der immanenten methodischen

Probleme wie Publikationsbias, heterogenes Patientenkollektiv,

Heterogenität der Behandlungsmethoden, uneinheitliche

Einschlusskriterien etc. keine allgemeingültigen Therapieempfehlungen

abgeleitet werden. Interessanterweise zeigte sich in

einer Subgruppenanalyse einer randomisierten italienischen

Multicenterstudie für Patienten mit regionaler Lymphknotenmetastasierung

(>6 befallene LK) ein klinisch bedeutsamer Vorteil

(5-Jahres-Überleben 42 vs. 22%) für eine adjuvante Chemotherapie

(Bajetta et al. 2002). Diese Subgruppenanalyse allein rechtfertigt

allerdings ebenfalls nicht den routinemäßigen Einsatz adjuvanter

Chemotherapie außerhalb klinischer Studien.

In einer randomisierten japanischen Studie zur adjuvanten

Chemotherapie bei Serosa-negativen Magenkarzinomen (außer

T1, N0) fand sich kein Überlebensvorteil durch postoperative

Therapie (Nashimoto et al. 2003).

Eine mögliche Erklärung für die unbefriedigenden Behandlungsergebnissen

ist der Einsatz von nach heutiger Ansicht wenig

wirksamen Zytostatikakombinationen. Studien mit neueren

effektiven Therapieregimes sind deshalb weiterhin indiziert.

Aller dings erscheint eine postoperative Chemotherapie mit aggres

siven Zytostatikakombinationen wegen des erhöhten Toxizitäts

risikos in der frühen postoperativen Phase problematisch.

Post operativ wurde über eine signifikant gesteigerte Cisplatininduzierte

Nausea und Emesis trotz verbesserter antiemetischer

Therapie berichtet, was den Einsatz von Kombinationen, die

Cisplatin enthalten, in der adjuvanten Therapie möglicherweise

limitiert (Louvet et al. 1998). Tabelle 37.15 zeigt eine Zusammenfassung

der derzeit gebräuchlichsten Therapieregimes.

37.8.3 Adjuvante Radio-/Chemo/Therapie

Seit der Vorstellung der Multicenterstudie der Intergroup/SWOG

(Southwest Oncology Group) wird die Bedeutung der adjuvanten

Therapie beim Magenkarzinom erneut diskutiert. Die Autoren

dieser Studie berichteten über eine adjuvante kombinierte Ra -

dio-/Chemo-Therapie (1 Zyklus Chemotherapie mit 5-FU/Leucovorin

gefolgt von Leucovorin und 5-FU an den Tagen 1–4 und

an den 3 letzten Tage einer perkutanen Radiatio bis 45 Gy, 1,8 Gy/

d) gefolgt von Chemotherapie (2 Zyklen LV/5-FU) randomisiert

gegenüber alleiniger Chirurgie bei einem großen Studienkollektiv

(n=550; MacDonald et al. 2001). Es ergab sich ein Überle bensvorteil

nach 3 Jahren von absolut 9% (41% vs. 50%; »hazard ratio«

für die Gruppe mit alleiniger Resektion 1,38; 95%-Konfidenzintervall

1,09–1,66, p=0,005). Das rezidivfreie Überleben nach drei

Jahren lag bei 31% nach alleiniger Chirurgie und bei 48% nach

Radio-Chemo-Therapie (RCTx). Die postoperative Radio-Chemo-

Therapie war mit einer hohen Rate an ausgeprägten hämatologischen

und nichthämatologischen, v. a. gastrointestinalen

Nebenwirkungen assoziiert. Die toxische Todesrate unter adjuvanter

RCTx lag bei 1%. Die Autoren der Studie folgern, dass die

adjuvante RCTx nunmehr den Standard in der adjuvanten Behandlung

in den Sta dien II–IIIb des Magenkarzinoms darstellt.

Bei einer von J.S. Mac Donald beim ASCO GI Meeting 2004

vorgestellten Subgruppenanayse fand sich jedoch weder ein Vorteil

der Therapie bei diffusen Karzinomen noch ein Vorteil nach

D2-LA.

Eine entscheidende Einschränkung erfährt die Studie dadurch,

dass die Resektion nur nach »curative intent« beurteilt

wurde (ohne Angabe eines R-Status) und eine genaue histopathologische

Aufarbeitung fehlt. Nur 10% der Patienten wurden erweitert

lymphadenektomiert; die meisten (54%) wurden nicht

oder nur eingeschränkt (<D1-LA) lymphadenektomiert. Es ist

daher fraglich, ob eine adjuvante Radio-/Chemo-Therapie auch

bei einem Patientenkollektiv nach adäquat durchgeführter Magenresektion

mit D2-LA Vorteile zeigt. Die Überlebensdaten der

Studie nach adjuvanten Therapie sind identisch denen nach alleiniger

Chirurgie in der deutschen Magenkarzinomstudie.

37.8.4 Intraoperative Strahlentherapie

Nach einer in Japan durchgeführten – methodisch sehr umstrittenen

– Studie brachte eine intraoperative Strahlentherapie

in den Stadien II und III verglichen mit alleiniger Operation

Tabelle 37.15. Therapieschemata beim Magenkarzinom

ECF (Findlay et al. 1994)

[mg/m2]

4-Epidoxorubicin

50 i.v. Tag 1 (alle 3 Wochen × 6–8)

Cisplatin 60 i.v. Tag 1 (alle 3 Wochen × 6–8)

5-Fluorouracil 200 i.v. Tag 1 (21 Wochen)

PLF (Wilke et al. 1996)

Cisplatin 50 i.v. Tag 1, 15, 29

Folinsäure 500 i.v. Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36

5-Fluorouracil 2000 i.v. Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36

Wiederholung Tag 50

473 37

eine Steigerung der 5-Jahres-Überlebensrate (Abe et al. 1988).

Die Methode war im Stadium IV ineffektiv (Calvo et al. 1992).

Die Überlegenheit der intraoperativen Strahlentherapie (IORT)

konnte jedoch in einer Phase-III-Studie, die am National Cancer

Institute in den USA durchgeführt wurde, nicht bestätigt werden

(Sindelar u. Kinsella 1998). Allerdings wurden dabei nur die

Möglichkeiten einer perkutanen Strahlentherapie gegenüber der

IORT vergleichend geprüft, ohne den Kontrollarm einer alleinigen

Chirurgie.

Verschiedene Phase-II- und -III-Studien weisen auf eine Senkung

der Lokalrezidivrate durch eine zusätzliche IORT hin, sie

geht jedoch nicht mit einer signifikanten Verbesserung der Überlebenszeiten

einher (Avizonis et al. 1995; Calvo et al. 1992). Daher

besteht für den Einsatz der IORT außerhalb von Studien gegenwärtig

keine Indikation.

37.8.5 Postoperative, intraperitoneale Therapie

Verschiedene Untersucher aus Japan und neuerdings auch in den

westlichen Ländern haben überwiegend in Phase-II-Studien und

wenigen kontrollierten Phase-III-Studien die Möglichkeiten einer

intraperitonealen Chemotherapie, vorzugsweise mit Mitomycin

C, FUDR, 5-FU bzw. Cisplatin in der postoperativen Phase

geprüft (Roth 2003). Die Ergebnisse sind schwer interpretierbar,

da in verschiedenen Prüfungen auch Patienten mit klinisch

manifester Peritonealkarzinose eingeschlossen waren.

Hagiwara et al. berichteten über die Ergebnisse einer randomisierten

Phase-III-Studie mit intraperitoneal verabreichten

Mitomycin C nach R0-Resektion bei Hochrisikopatienten (Hagiwara

et al. 1992). Dabei wurde am Ende der Operation Mitomycin

C an Aktivkohle absorbiert infundiert. Bei Patienten mit

Serosabefall ergab sich ein hochsignifikanter Unterschied zugunsten

einer intraperitonealen Chemotherapie (2-Jahres-Überlebensraten

68,6 vs. 26,9% bei alleiniger Operation). Diese bemerkenswerten

Ergebnisse konnten in einer deutschen Untersuchung

nur bedingt reproduziert werden. Nach R0-Resektion

lebten mit Mitomycin C behandelte Patienten 36 Monate median

gegenüber 24 Monate ohne Zusatzbehandlung. Allerdings führte

die intraperitoneale Installation von Mitomycin C zu einer signifikanten

Steigerung von intraabdominellen Abszessen und Reoperationen.

Bei bestehender Peritonealkarzinose erwies sich

eine Behandlung mit an Aktivkohle absorbierten Mitomycin C

unwirksam (Faß et al. 1998).

Die bisher größte intraperitoneal therapierte Gruppe von Patienten

zeigt, verglichen mit Chirurgie allein, eine deutliche Steigerung

des 5-Jahresüberlebens (54 vs. 38%; Yu et al. 2001). Nur

die Gruppe um Sugarbaker berichtet von keinerlei erhöhter Morbidität

und Letalität nach der intraperitonealen Therapie. Sie ist

vergleichsweise aufwändig (offene intraperitoneale Hyperthermie

mit Mitomycin C und 5-FU).

Zusammenfassend ergibt sich für Patienten nach kurativer

Gastrektomie keine regelhafte Indikation zur intraperitonealen

Chemotherapie. Ob für Subkollektive, z. B. Patienten mit zytologisch

positiver Peritoneallavage, eine intraperitoneale Chemotherapie

oder Therapie mit antitumoral wirksamen Antikörpern

eine Verbesserung des Überlebens oder des rezidivfreien Überlebens

bringt, sollte in Studien weiter überprüft werden.

37.8.6 Präoperative neoadjuvante Chemotherapie

Systematische Untersuchungen zur Effektivität von Kombinationschemotherapien

zeigten eine stadienabhängige Wirkung.

Patienten mit lokal fortgeschrittenen Primärtumoren sprechen

signifikant besser auf die Chemotherapie an als Patienten mit

Fernmetastasen (Wilke et al. 1990). In Einzelfällen konnte nach

besonders gutem Ansprechen auf eine primäre Chemotherapie

eine komplette Tumorresektion durchgeführt werden. Diese Beobachtungen

gaben Anlass, das Konzept einer primären »neoadjuvanten

« Chemotherapie mit nachfolgender Resektion prospektiv

zu prüfen.

Für eine primäre Chemotherapie ergeben sich verschiedene

theoretische und klinische Vorteile. Dazu gehören:

▬ die noch intakten Blut- und Lymphwege, welche die Zufuhr

der Zytostatika in zytotoxischen Konzentrationen in die Problemareale

ermöglichen,

▬ ein verglichen mit dem postoperativen Zustand besserer Allgemeinzustand,

der die Anwendung aggressiver, insbesondere

cisplatinhaltiger Kombinationen erlaubt,

▬ bei Ansprechen des Primärtumors (Downsizing) eine Zunahme

des Anteils an R0-Resektionen,

▬ eine Verminderung der Verschleppung vitaler Tumorzellen

in der Bauchhöhle während der Operation und

▬ eine frühzeitige systemische Wirkung auf klinisch okkulte

Mikrometastasen.

Eine zusammenfassende Beurteilung der ca. 20 Phase-II-Studien

ergibt keine Gefährdung der Patienten durch die neoadjuvante

Therapie. Die primäre Chemotherapie führte weder zu einer

Zunahme an therapiebedingten Todesfällen noch zu einem Verlust

der Resektabilität. Im Gegensatz zur kombinierten Radio-

Chemo-Therapie (z. B. beim Ösophaguskarzinom) wurde trotz

ausgedehnten Resektionen keine gesteigerte postoperative Morbidität

und Letalität beobachtet. Allerdings erwies sich die

Durchführung einer frühen postoperativen adjuvanten Chemotherapie,

insbesondere bei gleichzeitiger intraperitonealer und

intravenöser Verabreichung infolge einer erheblich erhöhten

Toxizität als problematisch (Kelsen et al. 1996; Leichman et al.

1992).

Entscheidend für die richtige Indikationsstellung zur neoadjuvanten

Chemotherapie ist ein ausgedehntes präoperatives Staging

einschließlich EUS und Laparoskopie. Die Patienten müssen

zur Therapieentscheidung gemeinsam (Tumorboard) von dem

behandelnden Chirurgen, Onkologen und Radiologen beurteilt

werden. Grundvoraussetzung der Therapie ist ein Karnofsky-Index

>70 und eine ausreichende Bereitschaft des Patienten, die

aufwändige und lange dauernde multimodale Therapie mitzutragen.

Bei entsprechender Information und Führung des Patienten

ist der letzte Punkt heutzutage allerdings selten ein Hinderungsgrund

für eine neoadjuvante Therapie.

Der entscheidende Grund, weshalb der Stellenwert der neoadjuvanten

Chemotherapie trotz zahlreicher erfolgversprechender

Veröffentlichungen derzeit noch nicht vollständig gesichert

ist, ist in erster Linie auf den Einschluss von Patienten mit sehr

unterschiedlich ausgedehnten Tumorstadien zurückzuführen.

Grund sätzlich müs sen dabei folgenden prognostisch sehr unterschiedlichen

Patientenkollektive unterschieden werden:

▬ Patienten mit potenziell resektablen Krankheitsstadien,

▬ mit lokal fortgeschrittenen, nicht sicher komplett resezierbaren

Tumoren und

37.8 · Neoadjuvante Therapie bzw. adjuvante und palliative Therapieprinzipien

474 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

▬ Patienten, bei denen anlässlich einer Laparotomie aufgrund

der lokalen Tumorausdehnung eine komplette Resektion

nicht möglich erschien.

Bisher erschien eine Verbesserung der Prognose durch eine multimodale

Therapie nur für Patienten mit primär nicht kurativ

resektablen Tumoren gesichert, bei denen mit Hilfe einer wirksamen

Chemotherapie zunächst eine klinisch relevante Tumorregression

induziert wurde. Wilke et al. (1989), in der Folgezeit

auch weitere Arbeitsgruppen berichteten, dass annähernd 40–

50% der Karzinome, die bei der Laparotomie irresektabel erschienen,

nach Ansprechen auf die Chemotherapie komplett reseziert

werden konnten (Plukker et al. 1991; Rosen et al. 1995). Die

Überlebenszeiten betrugen 16 Monate, im Falle einer R0-Resektion

24 Monate mit einem Anteil von bis zu 20% 5-Jahres-Überlebenden.

Mehr als 75% der Rezidive traten entweder lokoregional

oder innerhalb der Bauchhöhle auf. Die Chemotherapie hatte

keinen Einfluss auf eine bereits bei der diagnostischen Laparotomie

nachgewiesene bestehende Peritonealkarzinose (Rosen et al.

1995).

Alle neoadjuvanten Therapien zeigen, dass Patienten, die auf

die Therapie ansprechen (ca. 30%), ein signifikant verbessertes

Überleben aufwiesen (Lowy et al. 1999). Das Ansprechen auf eine

neoadjuvante Chemotherapie kann damit als wichtiger positiver

Prognosefaktor angesehen werden. Die Tabelle 37.16 fasst die

wichtigsten Phase-II-Studien zur neoadjuvanten Therapie des

Magenkarzinoms zusammen (Alexander et al. 1995; Facchini

et al. 1995; Kang et al. 1996; Rougier et al. 1994).

In zwei eigenen Studien war nach der Vorbehandlung von

lokal fortgeschrittenen Primärtumoren (T3 und T4) bei 80 bzw.

76% eine komplette Resektion möglich, wobei kein postoperativer

Todesfall auftrat. Wie auch in anderen angeführten Untersuchungen

führte die Chemotherapie zu keiner histopathologisch

kompletten Tumorrückbildung, häufig bestand noch immer eine

Lymphangiosis carcinomatosa. Rezidive traten vorzugsweise extraluminal

im Bereich des ehemaligen Tumorbetts, im Peritoneum

und bei primär ausgedehnter Lymphknotenmetastasierung

im Bereich nicht resezierter retroperitoneal gelegener LK

(M1lymph) auf (Fink et al. 1995; Ott et al. 2003b).

1994 wurde in Großbritannien die MAGIC-Studie initiiert. In

dieser randomisierten Phase-III-Studie wurde eine kombinierte

prä- und postoperative Chemotherapie [Epirubicin, Cisplatin, 5-

FU (ECF)] mit der alleinigen Chirurgie verglichen. Nach Rekrutierungsende

im Jahre 2002 wurden 2003 die ersten Ergebnisse

veröffentlicht (Allum et al. 2003). Eingeschlossen wurden 503 Patienten

mit Stadium-II- und -III-Adenokarzinom des distalen

Ösophagus (11%), der Kardia (15%) und des Magens (74%). 250

Patienten wurden in den Arm perioperative Chemotherapie randomisiert,

227 erhielten die präoperative, nur 133 die postoperative

Chemotherapie. Obwohl die Daten für eine Überlebensanalyse

noch zu jung sind, zeichnen sich Vorteile für die Chemotherapiegruppe

ab. So wurden im histopathologischen Staging bei

Patienten mit Magenkarzinomen signifikant mehr T1/T2-Tumoren

diagnostiziert als in der Chirurgiegruppe (54 vs. 35%). Das

progressionsfreie Intervall war in der multimodal therapierten

Gruppen signifikant verlängert (p=0,002). Auch war die Rate

kompletter Resektionen in der Chemotherapiegruppe höher. Aus

dem Kongress der ASCO 2005 (Cunningham et al. 2005) wurden

die Überlebensdaten der Studie erstmals vorgestellt. Das 5-Jahresüberleben

war in der Chemotherapiegruppe mit 36% gegenüber

23% nach alleiniger Chirurgie signifikant (p = 0.009) verlängert,

ebenso das progressionsfreie Überleben (p < 0.001).

Damit zeigt die erste randomisierte, kontrollierte Phase III

Studie zur neoadjuvanten Chemotherapie beim Magenkarzinom,

die nach 8-jähriger Rekrutierung erfolgreich mit einem großen

Kollektiv (n = 503) abgeschlossen werden konnte, deutliche Vorteile

für das Überleben der Patienten. Vor der endgültigen Publikation

der Studie ist es sicher noch verfrüht von einem neuen

Standard in der Therapie des lokal fortgeschrittenen Magenkarzinoms

zu sprechen, doch deutet sich dies zunehmend an.

Eine Optimierung der Indikation zur neoadjuvanten Therapie

könnte die frühe Beurteilung des Ansprechens der Chemotherapie

2 Wochen nach Therapiebeginn durch die FDG-PET

bedeuten. In einer eigenen Studie konnten 80% der Magenkarzinome

vor der Therapie mit der PET dargestellt werden, das histopathologische

Ansprechen wurde bei 77% der Patienten korrekt

vorhergesagt, das Nicht-Ansprechen bei 86% (Ott et al.

2003a). Aus diesen Ergebnissen könnten sich für die Zukunft

Tabelle 37.16. Präoperative Chemotherapie beim lokal fortgeschrittenen Magenkarzinom

Autor Jahr Patienten

(n)

Staging Chemotherapie

Major

Response

[%]

R0

[%]

mÜLR

(Monate)

ÜLR

Rougier et al. 1994b 30 CT, ÖGD Cisplatin/5-FU 56 72 20% (4 Jahre)

Facchini et al. 1995 22 CT, ÖGD FAMTX 50 73

Alexander et al. 1995 21 CT, ÖGD 5-FU/FA/IFN 38 73 24

Kang et al. 1996 53 CT, ÖGD PEF 62 62 24

Kelsen et al. 1994 29 CT, ÖGD

EUS

FAMTX – 53 16 (67%)

Fink et al. 1995 30 CT, ÖGD

EUS, Laparoskopie

EAP 63 80 17 30% (2 Jahre)

Oh et al. 2003 49 CT, ÖGD

EUS, Laparoskopie

PLF – 76 25 38% (5 Jahre)

475 37

Tabelle 37.17. Chemotherapie in der palliativen Situation vs. Best supportive Care

Autor Jahr Patienten

(n)

Chemotherapie Medianes Überleben Quality of Life

Chemotherapie vs. Supportive Care

(Monate)

Pyrrhönen et al. 1995 41 5-Fluorouracil

Epidoxorubicin

Methotrexat

12 vs. 3 (p<0,01) –

Murad et al. 1993 40 5-Fluorouracil

Adriamycin

Methotrexat

10 vs. 3 –

Glimelius et al. 1995 18 Etoposide

Leucovorin

5-Fluorouracil

10 vs. 4 (p<0,02) Besser mit Chemotherapie

Scheithauer et al. 1995 38 Epirubicin

Leucovorin

5-Fluorouracil

7 vs. 4 (p<0,05) Besser mit Chemotherapie

weitere Schritte in Richtung Individualisierung der Therapie des

Magenkarzinoms entwickeln (Lordick et al. 2004b).

Trotz aller positiven Ergebnisse der letzten Jahre gilt die neoadjuvante

Therapie beim Magenkarzinom bis heute als experimentelles

Verfahren und sollte bei Patienten mir resektablen

Tumoren im Rahmen prospektiver klinischer Studien durchgeführt

werden. Bei primärer Irresektabilität bei lokal fortgeschrittener

Erkrankung ist heute eine primäre Chemotherapie indiziert;

bei Patienten mit guter Remission ist der sollte eine sekundäre

Resektion angestrebt werden.

37.8.7 Palliative Chemotherapie

In den letzten Jahren ist hinsichtlich der Indikation einer Chemotherapie

beim fortgeschrittenen Magenkarzinom ein Wandel

eingetreten.

Eine systemische Chemotherapie in palliativer Intention gilt

sowohl mit Blick auf die Verlängerung der Überlebenszeit als

auch der Lebensqualität als indiziert. Generell sollte eine systemische

Chemotherapie nicht erst dann eingeleitet werden, wenn

bereits schwerwiegende Symptome der metastasierten Erkrankung

bestehen, da sonst eines der Ziele einer Chemotherapie,

nämlich das Auftreten tumorbedingter Beschwerden mindestens

zu verzögern, in der Regel nicht mehr erreicht werden kann. Ein

eingeschränkter Allgemeinzustand (Karnofsky-Index <70%) gilt

zurecht weiterhin als Kontraindikation gegen eine systemische

Chemotherapie.

Die Wahl der Zytostatikakombination folgt derzeit individuellen

Gesichtspunkten zur Toxizität und auch regionalen Gepflogenheiten.

Eine eindeutig zu bevorzugende Kombination gibt

es derzeit nicht. In der Regel wird auf der Basis von Cisplatin und

5-FU(Fluorouracil) enthaltenden Protokollen therapiert ( Tabelle

37.17). Besonders aussichtsreich mit Blick auf die therapeutische

Effektivität ist nach neueren Studienergebnissen die Kombination

Docetaxel-Cisplatin-5-FU (Ajani et al. 2003). Weitere

neuere Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit sind Oxaliplatin

und Irinotecan. Der Stellenwert weiterer Therapielinien

nach Versagen einer First-line-Therapie gilt zwar wissenschaftlich

noch nicht als gesichert, zeichnet sich aber aus ersten Studienergebnissen

ab (Lordick 2004a).

37.9 Empfehlungen zur Nachsorge

Zur Planung einer patienten- und kostengerechten Nachsorge

müssen die Metastasierungsmuster nach R0-Resektion bekannt

sein. Nur in diesem Fall ist von einem Rezidiv zu sprechen, nach

R1- oder R2-Resektion findet sich dagegen ein fortgesetztes Tumorwachstum.

Lokoregionäre Rezidive sind nach dieser Definition an drei

Stellen möglich:

▬ intraluminal

im Bereich der Anastomose, meist als Folge eines unzureichenden

luminalen Resektionsausmaßes im Hinblick auf den

oralen und aboralen Resektionsrand,

▬ extraluminal

bei unzureichender Tumorfreiheit im Bereich des Tumorbettes

(sog. dritte Dimension; unzureichende Radikalität ist hier

oft anatomisch bedingt, z. B. im Bereich des Truncus coeliacus

oder des Lig. hepatoduodenale) und

▬ im Bereich des Lymphabflussgebietes.

Die Verminderung dieser Rezidive ist eine wichtige Indikation

für eine adäquate Lymphknotendissektion. Lokoregionäre Rezidive

(LR) sind nach adäquater Resektion eher selten geworden.

Die in diesem Zusammenhang noch häufig zitierte Arbeit von

Gunderson u. Sosin (1982) mit einer Lokalrezidivquote von

53,7% betrachtet ein Patientenkollektiv von 1949–1972, ein Zeitraum,

in dem praktisch nicht oder nur unzureichend lymphadenektomiert

wurde. Heute ist es möglich, deutlich weniger als

10% lokoregionäre Rezidive nach R0-Resektion zu erreichen. Die

Analyse des eigenen Krankengutes ergab eine Häufigkeit des alleinigen

LR von 7,8% (Siewert et al. 1995b). Die meisten Rezidive

bildeten sich im Bereich des Truncus coeliacus, d. h. im Lymphabflussgebiet.

Hier ist auch eine Grenze der D2-LA. Eine japanische

Rezidivanalyse nach Gastrektomie und LA (D2) von 1117

Patienten ergab Lokalrezidive in 4,5% (Maehara et al. 1996).

37.9 · Empfehlungen zur Nachsorge

476 Kapitel 37 · Magenkarzinom

37

Das intraluminale Rezidiv stellt im Prinzip eine noch prognostisch

relativ günstige Form dar. Tritt es am oralen Resektionsrand

auf, kann eine Reoperation versucht werden. Das extraluminale

Rezidiv im Lymphabflussgebiet oder in Form der Peritonealkarzinose

ist der erneuten Operation nach adäquater

primärer Therapie nicht mehr zugänglich.

Nach den Daten der deutschen Magenkarzinomstudie überleben

nach R0-Resektion und D2-LA nur 36,1% des Gesamtkollektivs

10 Jahre (Siewert et al. 1998). Die Patienten versterben

nach hämatogener und/oder lymphogener Metastasierung. Das

Metastasierungsmuster richtet sich zum einem nach der Laurén-

Klassifikation des Primärtumors; intestinale Karzinome metastasieren

primär v. a. in Leber und Lunge, diffuse in das Peritoneum

(Weiss et al. 1993). Weitere Orte der hämatogenen Metastasierung

sind das Skelett und – selten – das Gehirn. Lymphogene

Rezidive finden sich im Bereich des Truncus coeliacus ( s. oben),

retroperitoneal und oft im Mediastinum.

Ungünstige Prognosefaktoren für das Auftreten eines Rezidivs

nach R0-Resektion sind nach univariater Analyse eine

fortgeschrittene Tumorinfiltration mit Serosaperforation (pT3),

Lymph- oder Gefäßinvasion des Primärtumors, Größe des Primärtumors

und der fortgeschrittene Lymphknotenbefall (pN2;

Maehara et al. 1996). Die therapeutischen Optionen sind im Falle

des Rezidivs begrenzt, und betreffen vor allen Dingen die Chemotherapie

und in sehr seltenen Fällen die Strahlentherapie.

Aus dem Vorangegangenen wird deutlich, dass sich die Nachsorge

von Magenkarzinompatienten primär an deren klinischen

Beschwerdebild orientieren muss. Regelmäßige, technische aufwändige

und belastende Untersuchungen sind nur bei konkreten

Rezidivverdacht zu rechtfertigen, zumal die therapeutischen

Möglichkeiten eingeschränkt sind. Die Kontrolle der Tumormarker

(CEA, CA 72-4) sollte nur bei positiven Werten zum Zeitpunkt

der Diagnose durchgeführt werden. Erfahrungsgemäß

geht der Wiederanstieg eines Tumormarkers der Diagnose des

Rezidivs ca. 3 Monate voraus. Abb. 37.21 gibt zur Nachsorge die

Empfehlungen der Bayerischen Landesärztekammer (Stand November

2003) wieder. Die Nachsorge verlängert das Überleben

der operierten Patienten nicht (Kodera et al. 2003). Sie bleibt aber

zur Qualitätssicherung der chirurgischen Versorgung ein wesentliches

Instrument und sollte deshalb wann immer möglich dort

stattfinden, wo der Patient operiert wurde.

37.10 Ausblick

Wenn man die Therapieforschung der letzten Jahre analysiert,

sind folgende Fortschritte zu nennen:

Ein wesentlich verbessertes Staging durch Einführung neuer

diagnostischer Verfahren (endoluminaler Ultraschall, diagnostische

Laparoskopie, verbesserte CT-Techniken, Nachweis von

freien Tumorzellen in der Abdominallavage) hat eine sehr viel

individuellere, in Einzelfällen geradezu maßgeschneiderte Therapie

ermöglicht. Es ist klar geworden, wann radikale Chirurgie

für den Patienten einen Vorteil bringt und wann nicht. Es gibt

gute Hinweise, wann eine neoadjuvante präoperative Chemotherapie

effektiv sein könnte, und es konnte aufgezeigt werden, dass

der Stellenwert postoperativer, adjuvant eingesetzter therapeutischer

Prinzipien immer noch nicht ausreichend gesichert ist.

Die Analyse neuer unabhängiger Prognosefaktoren hat die

Bedeutung der chirurgischen Radikalität bei der Operation des

Magenkarzinoms aufgezeigt. Es ist eindeutig belegt, dass die Residualtumorfreiheit

der entscheidende, unabhängige Prognosefaktor

in der chirurgischen Therapie ist. Die lokale Tumorfreiheit

hat sich nicht nur auf den oralen und aboralen Resektionsrand,

sondern vor allen Dingen auch auf das Tumorbett zu erstrecken.

Diese Aussage der Notwendigkeit der lokalen Tumorfreiheit bezieht

sich auch auf die Lymphabflusswege. Es ist deutlich geworden,

dass nicht nur der Primärtumor, sonder auch die tumorbefallenen

LK mit einem großen Sicherheitsabstand entfernt

werden müssen.

Das Magenkarzinom ist im Prinzip chemotherapiesensibel.

Damit hat die multimodale Therapie eine neue Bedeutung erlangt.

Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass die Chemotherapie in

erster Linie am nicht voroperierten und nicht vorbehandelten Tumor

wirksam werden kann. Dies hat das therapeutische Prinzip

der neoadjuvanten Chemotherapie in den Vordergrund gerückt.

In vielen Phase-II-Studien und einer Phase-III-Studie wurde die

Effektivität der neoadjuvanten Therapie belegt. Das Ansprechen

auf eine neoadjuvante Therapie ist ein eigenständiger, positiver

Prognosefaktor.

Aus dem Gesagten ergeben sich die in der klinischen Therapieforschung

zu lösenden Aufgaben der nächsten Jahre:

Die Gesamtprognose des Magenkarzinoms kann nur durch

eine Intensivierung der Frühdiagnostik verbessert werden. Hier

sind die japanischen Zahlen unverändert Vorbild. Screeninguntersuchungen

werden in der westlichen Hemisphäre unter dem

Cost/Benefit-Aspekt auch in Zukunft nicht indiziert sein. Als

mögliche Alternative sollte die sog. »open access endoscopy« erprobt

werden.

Jahr

Alle anderen Untersuchungen

mit bildgebenden

Verfahren

(auch Sonographie)

sowie Labor (auch

Tumormarker wie

CEA, Ca 72- 4)

Monat

Anamnese

Informationsgespräch

Klinische Untersuchung

Endoskopie

1

3 6 9 12

2

15 18 21 24

3

27 30 33 36

4

42 48 54 60

5

Nur gezielt bei einer durch das Beschwerdebild oder

anamnestische Hinweise gesicherten Indikation

Abb. 37.21. Empfehlungen zur

Nachsorge beim Magenkarzinom

477 37

Die bislang vorliegenden Daten zur neoadjuvanten Chemotherapie

zeigen, dass nur etwa 60% der behandelten Patienten auf

diese Therapie ansprechen. Es wird eine Aufgabe der nahen Zukunft

sein, Prognosefaktoren zu erarbeiten, die das Response-

Verhalten des Patienten vorhersagen helfen: Neoadjuvante Therapieprinzipien

könnten dann auf eine entsprechend definierte

Subgruppe konzentriert werden.

Das Problem der Response Evaluation nach neoadjuvanter

Therapie scheint einer Lösung nahe zu sein. In allen zur Verfügung

stehenden diagnostischen Verfahren kann zwischen Narbe

und Residualtumor nicht unterschieden werden. Mit Hilfe der

FDG-PET könnte frühzeitig ein Response auf die Therapie gesichert

werden.

Nach den bislang vorliegenden Untersuchungen bringt die

adjuvante Chemotherapie nach Resektion eines Magenkarzinoms

nur Vorteile für nicht adäquat resezierte Patienten. Damit

ist sicher, dass Subgruppen von einer adjuvanten Therapie profitieren

können. Aus theoretischer Sicht müsste nach relativer R0-

Resektion, d. h. bei nur knappen Sicherheitsabständen und einer

Lymphknoten-Ratio >20%, durchaus eine Indikation für eine adjuvante

(Radio-)Chemo-Therapie gegeben sein. Allerdings hier

fehlen klinische Studien, die dies bei einer entsprechend gut definierten

Subgruppe belegen

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